Knast by Bausch Joe

Knast by Bausch Joe

Autor:Bausch, Joe
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783843702171
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2012-02-11T05:00:00+00:00


Von Betrügern und Phantasten

Nicht das erste Mal hatten wir einen Ganoven in Werl einsitzen, der sich über alles und jeden in der Anstalt beschwerte: über schlechte Behandlung, mieses Essen, abgelehnte Hafterleichterungen, Mitgefangene, Gerichtsentscheidungen und selbst über justizpolitische Entwicklungen. Solche notorischen Querulanten gehören zum Knastalltag und beschäftigen mit ihren Eingaben, Beschwerden, Widersprüchen und Anzeigen ganze Abteilungen von Behörden. Auch Udo P. ließ wirklich nichts aus und schrieb an alle möglichen Institutionen: den Anstaltsleiter, den Chef der Aufsichtsbehörde, den Justizminister, die Vorsitzenden der einschlägigen Ausschüsse und Verbände, die in irgendeiner Weise mit dem Strafvollzug zu tun haben, an Abgeordnete im Landtag oder im Bundestag, später sogar an die Büros des Ministerpräsidenten, des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten. Er bekam zwar ausnahmslos genauso freundliche wie abschlägige Antworten, aber alle Briefe waren mit einem eindrucksvollen Briefkopf, einem amtlichen Stempel und einer mehr oder minder prominenten Unterschrift versehen. Das ganze Brimborium, mit allem protokollarischen Trara. Und genau darum ging es dem Häftling. Die Gründe für die Beschwerdebriefe spielten keine Rolle, es ging letztlich um Wahrnehmung – und um eine gehörige Portion Spaß bei der Selbstinszenierung. Mit Hilfe dieser offiziellen Schreiben konnte er anderen Mithäftlingen gegenüber seine große Bedeutung demonstrieren. Vielleicht glaubte er sogar, mit dieser Art der Korrespondenz Eindruck bei den Angestellten des Vollzuges zu schinden; schließlich waren die dafür zuständig, die tägliche Post zu verteilen. Und ein Schreiben aus dem Präsidialamt kann da unter Umständen schon Eindruck machen. Mir selbst hielt er Schreiben von Helmut Kohl, Roman Herzog und anderen Größen unseres Landes unter die Nase. Es hat lange gedauert, bis ich erfuhr, warum er die Ablehnungen während seiner Knastzeit so locker hingenommen hatte …

Der Kerl war ein gerissener Gauner und notorischer Betrüger, der vor seiner Inhaftierung unter anderem in großem Stil Geld gefälscht hatte. Nach seiner Entlassung kurz nach der Wie­der­vereinigung nutzte er die Vertrauensseligkeit einiger ehema­liger DDR-Bürger schamlos aus. Er reiste als angeblich seriöser Geschäftsmann in die neuen Bundesländer, um mit Hilfe von »Empfehlungsschreiben« verschiedene Geschäfte in der Immobilienbranche einzufädeln. Die Schriftstücke, allesamt versehen mit den Unterschriften einflussreicher Persönlichkeiten, öffneten ihm Tür und Tor. Die perfekte Zweitverwertung seiner Knastkorrespondenz! Er selbst kassierte natürlich tüchtig ab, kaufte sich nach dem ersten lukrativen Deal einen 7er-BMW und fuhr fortan nur noch mit Chauffeur vor. Und das untermauerte die Seriosität und vor allem die Bonität des neuen Investors zusätzlich. Man sei sofort auf seine Offerten angesprungen. Alle hätten das ganz große Geschäft gewittert, das der reiche Onkel aus dem Westen ihnen damals in Aussicht stellte. Das Erwachen war böse, zum Glück auch für den Betrüger. Er durfte eine zweite Runde im Knast drehen.

Betrüger sind Betrüger und bleiben es auch im Knast. Die meisten betrügen andere, einige sogar sich selbst. Ich habe Leute erlebt, die sich in eine sogenannte Pseudologia phantastica steigerten, so nennt man in der Psychologie den Drang zu krankhaftem Lügen und Übertreiben. Ist man an diesem Punkt angelangt, hält man die Lügengeschichten, an denen man über Jahre gesponnen hat, selbst für bare Münze.

Ein Patient erzählte mir einmal folgende Geschichte: »Ich bin 1953 geboren, mein Vater war Installateur, meine Mutter Hausfrau.



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