Der Heiratsspezialist by Heinz G. Konsalik

Der Heiratsspezialist by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-28T04:00:00+00:00


Die Hamburger Unterwelt – so wenigstens drückte sich eine der größten Zeitungen Deutschlands aus – reagierte schnell. Bei der Redaktion traf ein aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben zusammengesetzter Brief ein, der genauso aussah, wie man sich einen perfekten Gangsterbrief vorstellt. Der Inhalt war deprimierend, sowohl für die Zeitung wie für die Zukunftsaussichten des entführten Bob Brook. Die schnell zusammengerufene Redaktionskonferenz beschloß, den Text des Briefes ungekürzt zu veröffentlichen, da man zur Wahrheit und zur umfassenden Berichterstattung verpflichtet sei, ohne Rücksicht auf die eigene Position in diesem Drama. Der Chefredakteur formulierte es so: »Es geht um einen Menschen, Leute! Auch wenn uns die Gangster in die Kniekehlen treten – mit dem vollen Text beweisen wir, daß uns dieser Bob Brook ans Herz gewachsen ist!«

Der Brief lautete:

Ihr Arschlöcher!

Wir haben keinen Millionär geschnappt, sondern einen kleinen miesen Eisverkäufer, dem man durch die Taschen blasen kann. Irrtum, Leute, aber wir holen das Beste aus ihm heraus, was möglich ist. Ihr Tintenpisser von der Presse aber müßt immer gleich die große Fresse haben und alles verdrehen. Hört zu, alle, die es angeht: Wir verlangen für Bob ganze 200.000 Mark! Ist das ein anständiger Preis? Mehr ist bei dem nicht drin, aber diese 200.000 können lockergemacht werden. Okay, wir haben den Falschen erwischt, aber auch den bekommt ihr nur wieder, wenn die Mäuse hüpfen!

Gebt uns Nachricht, indem ihr eine Anzeige ins Blatt setzt: Unser Eis verdirbt nicht. – Dann erhaltet ihr neue Weisungen. Bis dahin kann Bob bei uns Pommes frites und Currywurst essen. Der ist als Ami ja ganz wild drauf! – Ende.

Diese Mitteilung löste eine ungeheure Betriebsamkeit aus. Hatte sich das Polizeipräsidium vorher aufgeregt, daß Juliane Hatzle die gesamte Presse wild gemacht hatte, obwohl noch gar nicht feststand, ob dieser Bob wirklich entführt worden oder nur vor Juliane geflüchtet war, so griff jetzt die Staatsanwaltschaft ein, und eine Sonderkommission der Kriminalpolizei wurde gebildet. Ein kleiner Krisenstab im Hamburger Senat beschäftigte sich zunächst mit folgenden Fragen: Die Erpresser verlangen 200.000 Mark. Von wem? Zur Zahlung aufgefordert sind natürlich erst einmal die Anverwandten. Hat Bob Brook Verwandte? Können diese zahlen? Wenn nicht, wer zahlt dann? Der Hamburger Senat aus Steuergeldern? Für einen Ami?! Oder der US-Bundesstaat, aus dem dieser Bob Brook stammt? Also Arizona? Alles sehr verwickelt – da muß man erst die Experten hören. Am besten, man verläßt sich auf eine Expertenkommission. Schließlich geht es eventuell um 200.000 Mark aus Steuergeldern.

Das ›Sonderdezernat Bob Brook‹ der Kripo wurde tätig. Es kämmte noch einmal den Tatort auf St. Pauli durch, verhörte den Geschäftsführer Jonny und die ›Artisten‹ der Sex-Show, aber jetzt waren alle Spuren, falls es überhaupt welche gegeben hatte, längst verwischt, zuletzt von der fleißigen Putzfrau, die einen abgerissenen Anzugknopf im Flur fand, den sie in den Müll geworfen hatte. Aber auch er hätte nichts genützt. Die entscheidende Frage lautete: ›Wer zahlt 200.000 Mark für Bob Brook?‹

Die Forderung der Entführer schlug, wie nicht anders zu erwarten war, gewaltige Wellen. Die in dem Brief enthaltenen Angriffe auf die Presse lösten Jubel bei den Linken aus, denn jeder wußte, welche



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