Zen und die Kultur Japans by Suzuki

Zen und die Kultur Japans by Suzuki

Autor:Suzuki [Suzuki]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-12-27T19:48:56+00:00


Sabi wird hier gleichbedeutend mit Wabi. Um Armut zu schätzen oder alle Schickung einfach hinzunehmen, bedarf es eines stillen Gemüts, aber in Sabi wie in Wabi liegt ein Hinweis auf etwas Ob-jektives. Nur eben stille sein, ist weder Sabi noch Wabi. Es muß immer etwas Gegenständliches vorhanden sein, das eine Stimmung erweckt, die man als Wabi bezeichnet. Und Wabi ist nicht einfach eine seelische Reaktion auf eine bestimmte Form der Umgebung. Es steckt ein ästhetisches Prinzip darin, und wo dieses fehlt, da wird Armut zur Armseligkeit und Einsamkeit zur Verbannung oder zu unmenschlicher Ungeselligkeit. Wabi oder Sabi kann man daher als eine ästhetische Wertschätzung der Armut definieren. Wenn es als künstlerisches Prinzip verwendet wird, bedeutet es die Schaffung oder Nachbildung einer Umgebung mit der Absicht, das Gefühl von Wabi oder Sabi zu erwecken. So wie heute diese Ausdrücke gebraucht werden, kann man sagen, Sabi beziehe sich mehr auf die einzelnen Gegenstände und die Umgebung als Ganzes, Wabi auf den Lebenszustand, der in der Regel mit Armut oder Mangel oder Unzulänglichkeit verbunden ist.

SHUKO, ein Schüler IKKYUS und der Teemeister YOSHIMASAS, pflegte seine Jünger mit folgender Geschichte über den Geist des Teekults zu belehren. Ein chinesischer Dichter verfaßte einmal folgende Verse:

‹In den Wäldern drüben tief unter der Last des Schnees Sind letzte Nacht ein paar Pflaumenzweige aufgeblüht.›

Als er sie seinem Freunde zeigte, riet ihm dieser, statt ‹ein paar Zweige› ‹ein Zweig› zu schreiben. Der Dichter folgte dem Rat und pries den Freund als seinen ‹Ein-Zeichen-Lehrer›. Ein einsamer Pflaumenzweig voller Blüten inmitten der schneebedeckten Wälder – darin liegt die Idee des Wabi.

Bei einer anderen Gelegenheit soll SHUKO diesen Ausspruch getan haben: ‹Es ist schön, wenn man ein edles Roß in einem strohgedeckten Stall entdeckt. Ebenso ist es besonders schön, wenn man ein seltenes Kunstwerk in einem bescheiden eingerichteten Raume findet.›

Das erinnert an die Zen-Redeweise: ‹Ein zerlumptes Mönchsgewand mit einem kühl erquickenden Wind füllen.› Äußerlich ist nichts Besonderes zu entdecken, aller Schein spricht gegen den Inhalt, der in jedem Fall unschätzbar ist. Ein Leben in Wabi kann also auf diese Weise definiert werden: unaussprechlich stille Freude, tief unter lauter Armut versteckt. Der Teekult versucht diese Idee künstlerisch auszudrücken.

In dem Augenblick allerdings, wo hier auch nur eine Spur von Unwahrhaftigkeit sich einschleicht, ist das Ganze zerstört und verloren. Der unschätzbare Inhalt muß auf die echteste Weise vorhanden sein, er muß da sein, als wäre er gar nicht vorhanden, er muß fast wie zufällig entdeckt werden. Im Anfang darf man gar nicht auf den Gedanken kommen, hier sei etwas Außergewöhnliches, dann spricht ein gewisses Etwas uns an, man tritt näher, man versucht zu prüfen, und siehe da: eine Mine reinen Goldes schimmert aus dem Unerwarteten hervor. Das Gold aber bleibt immer das gleiche, ob es entdeckt wird oder nicht. Es behält seine Wirklichkeit, das heißt seine Wahrhaftigkeit gegen sich selber, jenseits von allem Zufall. Wabi bedeutet Treue gegen sich selbst. Ein Meister lebt still in einer anspruchslosen Hütte, ein Freund tritt unerwartet ein, Tee wird bereitet, ein frischer Blütenzweig aufgesteckt, und der Besucher genießt einen friedlichen Nachmittag, von seinem Gespräch und seiner Bewirtung gleich entzückt.



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