Der Outsider by Stephen King

Der Outsider by Stephen King

Autor:Stephen King [King, Stephen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
ISBN: 9783641229351
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2018-08-26T22:00:00+00:00


6

Seit ihr Vater ermordet worden war, schlief die zehnjährige Grace Maitland äußerst schlecht, und der wenige Schlaf, den sie bekam, war von Albträumen durchsetzt. An jenem Sonntagnachmittag sank ihre ganze Erschöpfung wie ein weiches Gewicht auf sie herab. Während ihre Mutter und ihre Schwester in der Küche einen Kuchen backten, schlich Grace nach oben und legte sich auf ihr Bett. Obwohl es immer wieder regnete, war es hell, was gut war. Die Dunkelheit machte ihr inzwischen Angst. Unten hörte sie, wie ihre Mutter sich mit Sarah unterhielt. Auch das war gut. Grace schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, kam es ihr vor, als hätte sie nur kurz geschlafen, aber es mussten Stunden vergangen sein. Jetzt prasselte der Regen stärker vom Himmel, und draußen war es grau geworden. Ihr Zimmer war voller Schatten.

Auf ihrem Bett saß ein Mann und betrachtete sie. Er trug Jeans und ein grünes T-Shirt. Auf seinen Händen waren Tattoos, weitere krochen an den Armen hinauf – Schlangen und ein Kreuz, ein Dolch und ein Schädel. Zwar sah sein Gesicht jetzt nicht mehr so aus, als hätte ein unbegabtes Kind es aus Knetmasse geformt, aber sie erkannte ihn trotzdem. Es war der Mann, den sie vor Sarahs Fenster gesehen hatte. Wenigstens hatte er jetzt keine Strohhalme als Augen mehr. Jetzt hatte er die Augen ihres Vaters. Die hätte Grace überall erkannt. Sie fragte sich, ob das alles jetzt wirklich geschah oder ob es ein Traum war. Auf jeden Fall war es besser als diese Albträume. Ein bisschen wenigstens.

»Papa?«

»Gewiss«, sagte der Mann. Sein grünes T-Shirt verwandelte sich in das Golden-Dragons-Trikot ihres Vaters, weshalb sie nun wusste, dass es tatsächlich ein Traum war. Anschließend verwandelte das Trikot sich in eine Art weißen Kittel und dann in das grüne T-Shirt zurück. »Ich hab dich lieb, Gracie.«

»Das hört sich aber gar nicht wie mein Papa an«, sagte Grace. »Du machst ihn bloß nach.«

Der Mann beugte sich zu ihr. Grace schrak zurück, den Blick auf die Augen ihres Vaters gerichtet. Die waren besser als die Stimme, die behauptete, sie lieb zu haben, aber er war es trotzdem nicht.

»Ich will, dass du weggehst«, sagte sie.

»Natürlich willst du das, und wer in der Hölle sitzt, will ein Glas kaltes Wasser haben. Bist du traurig, Grace? Vermisst du deinen Papa?«

»Ja!« Grace begann zu weinen. »Ich will, dass du weggehst! Das sind nicht wirklich die Augen von meinem Papa, du machst sie bloß nach!«

»Erwarte bloß kein Mitgefühl von mir«, sagte der Mann. »Ich finde es gut, dass du traurig bist. Hoffentlich bist du ganz lange traurig und heulst. Wäh-wäh-wäh, genau wie ein Baby.«

»Bitte geh weg!«

»Will Baby sein Fläschchen? Hat Baby in seine Windeln gepinkelt und sich ganz nass gemacht? Macht Baby wäh-wäh-wäh?«

»Hör auf!«

Er setzte sich wieder gerade hin. »Das tue ich, wenn du auch etwas für mich tust. Wirst du etwas für mich tun, Grace?«

»Was denn?«

Er sagte es ihr, und dann rüttelte Sarah sie und sagte, sie solle runterkommen und ein Stück Kuchen essen, weshalb es doch nur ein Traum gewesen war, ein schlimmer Traum,



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