Zeitenwende by Frederick Hetmann

Zeitenwende by Frederick Hetmann

Autor:Frederick Hetmann
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2011-02-08T23:00:00+00:00


Das Traumkraut

»Hinter einer transparenten,

aber undurchdringlichen

Dichte des Traumes selbst… «

Jorge Semprun, Algarabía oder

Die neuen Geheimnisse von Paris

In seiner Behausung fand Chan eine Nachricht des obersten Priesters vor.

Candu las ihm vor, was da mit Glyphen in einen Streifen Rinde geritzt war. Auch der oberste Priester wünschte nun Chan kennen zu lernen. Die Einladung galt für den Abend des nächsten Tages.

»Sei vorsichtig ihm gegenüber«, warnte ihn Candu. »Er wird dich aushorchen wollen. Er wird wissen wollen, auf welcher Seite du stehst.«

Am nächsten Abend klopfte es an die Tür von Chans Gemach. Als er öffnete, verneigten sich zwei kleine dunkelhäutige Männer und teilten ihm mit, unten warte die Sänfte auf ihn, die ihn zum obersten Priester bringen werde.

Es war jetzt draußen schon dunkel; in den Straßen brannte nur hier und da eine Fackel. Das Stadtzentrum lag wie ausgestorben da. Erst jetzt wurde Chan klar, dass die Stadt weit größere Ausmaße hatte, als er sich das bisher vorgestellt hatte.

Sie kamen an fünf Tempeln vorbei, die wie versteinerte riesige Tiere wirkten. Im Licht eines halben Mondes zeichneten sich nur ihre Umrisse ab, Pyramiden, auf deren höchstem Punkt ein Gebäude und auf dessen flachem Dach wiederum eine Steinformation wie ein Kamm saß. Dann ging es an zwei Hütten mit Strohdächern und am Stadtrand an terrassenförmig angelegten Maisfeldern vorbei, in einen Wald hinein, der eher wie ein Park wirkte, bis zu einer einstöckigen Villa, die sich angesichts der riesigen Tempelbauten, an denen sie unterwegs vorbeigekommen waren, geradezu unscheinbar ausnahm. Da hatte das Gebäude, wenn man es näher betrachtete, durch seine kleineren Ausmaße eine behagliche Eleganz, zumal sich hinter ihm auf einer Lichtung noch einmal fünf, sechs Pyramidenbauten aus dem Wald erhoben.

Der oberste Priester, der ihn an der Tür willkommen hieß und ihn dann auf die Terrasse führte, war alles andere als ein schöner Mann. Er hatte ein feistes Gesicht mit scharfen Zügen, leicht vortretende Augen und ein massiges Kinn. Ein tonnenförmiger Bauch blähte das Gewand. Nachdem sie in zwei bequemen ledernen Sesseln Platz genommen hatten, servierten Diener ein Kakteenbier. Als sie verschwunden waren, reichte der oberste Priester seinem Gast eine Tondose, deren Deckel mit Jadestücken beklebt war. Sie enthielt ein weißes Pulver.

»Man schnupft es«, erklärte ihm sein Gastgeber, und als er sah, dass sein Gast zögerte, fügte er hinzu: »Ihr müsst keine Furcht haben. Es heißt zwar das Traumkraut, aber nur in großen Mengen eingenommen verwirrt es die Sinne in den Träumen. Ein, zwei Prisen bewirken lediglich eine angenehme Entspannung nach der Last des Tages.«

Chan schnupfte also. Sofort spürte er keine Wirkung. Aber er fragte:

»Was ist es?«

»Ihr werdet es merkwürdig finden. Ich kann es Euch auch nicht sagen. Ich weiß es selbst nicht. Unsere Schamanen und Heiler stellen es her. Ich vermute, aus einer der vielen Pflanzen, deren Wirkung sie erforscht haben. Aber es gibt eine Geschichte, die man sich über die Entstehung des Traumkrautes erzählt. Wollt Ihr sie hören?«

»Ja, gern!«

»Nun, einst konnten alle Menschen gut träumen. Ich meine, anders träumen als heute, da jeder im Traum nur einen schwachen Widerschein des alten Träumens erlebt. Damals gingen alle am Tag unerfüllten Wünsche der Menschen im Schlaf träumend in Erfüllung.



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