Zehn Geschichten übers Rauchen by Stuart Evers

Zehn Geschichten übers Rauchen by Stuart Evers

Autor:Stuart Evers
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2011-11-15T00:00:00+00:00


Sonnenfinsternis

Unser Baby schreit, ich lege den Kleinen an; sein Mündchen so gierig wie das seines Vaters. Er ist sieben Monate alt, aber will nicht die Flasche nehmen: Stattdessen klammert er sich an mich. Manchmal frage ich mich, ob es jemals vorbei sein wird, und stelle mir ihn als erwachsenen Mann mit scharfen Zähnen vor, der in meine geschwollenen, wunden Brustwarzen beißt; bei der Vorstellung muss ich gleichzeitig lachen und mich schütteln. Er hat dann das Gesicht seines Vaters, die gleichen Augen, die mich beim ersten Mal fesselten.

Jetzt riecht alles nach saurer Milch, Puder und Windeln. Das sagt er mir, und ich glaube ihm, obwohl ich seit der Geburt nichts mehr riechen kann. Er könnte ohne weiteres wieder angefangen haben zu rauchen – die Entscheidung aufzuhören hat er ganz allein getroffen – oder sich nicht mehr waschen. Er könnte auch jeden Abend nach Hause kommen und deutlich nach seiner Geliebten riechen. Er könnte nach ihrem Schweiß und ihrem Parfüm stinken. Sein Atem könnte summen von ihrem Geschmack, ich würde es nicht merken. Vielleicht ist das eine Art Tausch: meinen Sohn für einen meiner Sinne.

***

Er verliebte sich am fünfzehnten September in sie. Fast genau zwei Monate, bevor ich schwanger wurde. Woher ich das weiß, kann ich nicht sagen. Das tauchte einfach so vor mir auf, wie ein Telexstreifen, als er eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank holte: Er ist heftig verliebt, wie von Sinnen. Das Strahlen, das man als Schwangere hat, ist nichts im Vergleich zu dem inneren Leuchten, das von solcher Leidenschaft und Zuneigung ausgelöst wird. Es brannte in ihm wie eine Sonnenfinsternis; wunderschön, aber gefährlich anzusehen.

***

Der Wunsch, Mutter zu werden, schlich sich bei mir ein; jahrelang hatte ich überhaupt keine mütterlichen Gefühle gehegt, waren mir Katzen lieber gewesen als Kinder. Mal schien damit zufrieden zu sein. Doch als um uns herum immer mehr Paare Babys bekamen, unsere Freunde nacheinander schwach wurden, kam ich nicht mehr richtig gegen das Zerren in mir an, gegen das leichte Zögern, wenn ich kleine Kinder ihren strahlenden Eltern zurückreichte. Als ich mich letztlich entschloss, war ich neununddreißig, Mal fünfunddreißig. Wir sprachen nicht darüber. Ich setzte einfach meine Pille ab und fing noch am selben Nachmittag an.

Sechs Monate versuchten wir es; ein halbes Jahr Thermometer, Zyklen und langweiliger Routinesex. Doch nachdem er sie kennengelernt hatte, änderte sich etwas. Der Sex wurde schneller und dringlicher, fast brutal. Ich machte mir nichts vor: Ich wusste, dass er bei jedem Vögeln an sie dachte. Einmal schob er mir den Finger in den Po und bewegte ihn auf und ab, was er noch nie zuvor getan hatte. Das war etwas, was ihr gefiel, und jede möglicherweise in mir hervorgerufene Lust zerstob bei der Vorstellung, wie sie unter ihm lag, seine Finger in ihr.

Er konnte mich nur schwängern, weil er in diese Frau verliebt war. Davon bin ich überzeugt.

***

Ich machte ihre Bekanntschaft auf einer Abschiedsfeier. Mals Chef wurde pensioniert und die gesamte Belegschaft ins Vodka Revolution eingeladen. Als ich dazukam, unterhielt er sich gerade mit ihr und einer anderen Frau.



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