World's End by Carl Hanser Verlag

World's End by Carl Hanser Verlag

Autor:Carl Hanser Verlag [Boyle, T. Coraghessan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783446239661
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2011-11-15T00:00:00+00:00


SÖHNE UND TÖCHTER

Es war der Morgen von Neeltjes sechzehntem Geburtstag, ein Morgen wie jeder andere: feucht, trübe, in der Monotonie der Routine erstarrt. Eier mußten gesammelt, Enten, Gänse und Hühner gefüttert werden. Es gab Feuer zu schüren, Haferbrei zu rühren, und allein beim Gedanken an das bevorstehende Spinnen, Buttern und Walken wurden ihr die Finger steif. Ihr Vater war im Auftrag des patroon irgendwo hingeritten, kam erst in der Nacht zurück, und obwohl es noch gar nicht richtig hell war, saß ihre Mutter schon kerzengerade vor dem Spinnrad, ihr rechter Arm hob und senkte sich mechanisch, ihr Blick war starr auf die Spindel gerichtet. Ihre Schwestern, kleine Mädchen noch, wärmten sich vor dem Kamin und spähten erwartungsvoll in den Topf. Niemand sah sich auch nur nach ihr um, als sie den Umhang vom Haken nahm und in die Pantinen schlüpfte.

Verletzt und wütend – sie hätte ebensogut einer der schwarzen Niggersklaven des patroon sein können, so gleichgültig war sie den anderen – knallte Neeltje die Tür zu, durchquerte den Hof und ging daran, das Gras nach den morgendlichen Eiern abzusuchen. Sie verlangte ja nicht viel – ein Lächeln, herzliche Glückwünsche, eine Umarmung von ihrer Mutter –, aber was bekam sie? Nichts. Es war ihr Geburtstag, und keiner kümmerte sich darum. Weshalb sollten sie auch? Sie war lediglich ein Paar Hände zum Schälen und Melken und Waschen, ein Rücken zum Schleppen, Beine zum Umherhuschen. Heute wurde sie sechzehn, war eine fertige Frau, eine Erwachsene, und niemand machte sich das geringste daraus.

Mit solch verbitterten Gedanken bückte sie sich nach den Eiern, die Röcke schon vollgesogen mit Tau. Ungemolken brüllten die Kühe nachdrücklich im Stall, während rings um sie eine Schar von zerrupften Hennen herumpickte und die Köpfe schieflegte, um sie mit glänzenden Augen vorwurfsvoll anzusehen. Der Dunst zog wie ein Leichentuch vom Fluß herüber, roch nach Schlamm, nach Toten und Ertrunkenen, und sie fröstelte, zog sich den Umhang enger um den Hals. Sie fand im jungen Gras am Zaun ein Ei, zwei weitere unter dem schützenden Dach des Holzschuppens, und richtete sich schließlich auf, um sich an der Schürze die Hände abzutrocknen. In diesem Moment – als sie gerade aufrecht stand, den Korb in der Armbeuge, die Hände in den Falten der Schürze verborgen – bemerkte sie zu ihrer Linken, dort, wo sich die Kontur des Stalls im Dunst auflöste, eine Bewegung. Instinktiv wandte sie den Kopf, und da stand er, hatte ein Bein vorgeschoben, lächelte kaum merklich und beobachtete sie.

»Jeremias?« Sie machte eine Frage daraus, ihre Stimme hob sich überrascht, da ihr plötzlich klar wurde, daß sie nichts auf dem Kopf hatte, ihr Umhang und ihre Röcke von gräßlicher Schlichtheit und die gelben Bauernpantinen schlammverkrustet waren.

»Pssst!« Er hielt einen Finger an die Lippen, winkte sie zu sich und verschwand im Nebel hinter dem Stall. Sie sah sich zweimal um – die Kühe protestierten, die Hühner gackerten, Enten und Gänse veranstalteten unten am Teich ein gotteslästerliches Gezeter – und ging ihm nach.

Hinter dem Stall, zwischen dem Dornengestrüpp und dem Unkraut, umgeben vom aufwallenden



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