Wolfszeit: Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955 (German Edition) by Jähner Harald

Wolfszeit: Deutschland und die Deutschen 1945 - 1955 (German Edition) by Jähner Harald

Autor:Jähner, Harald [Jähner, Harald]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2019-02-18T16:00:00+00:00


Stimmungsmache. Die französisch lizenzierte «DND» («Die neue Demokratie») bringt zur Währungsreform eine Allegorie der neuen Staatsform auf die Titelseite: «D iese N ette D ame».

Dass die Regale sich so schnell wieder füllen konnten, offenbarte die reale Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und Industrie, die weit weniger zerstört war, als man gemeinhin annahm. Mehr als drei Viertel des Industriepotenzials waren noch erhalten. Da die NS -Rüstungswirtschaft die maschinelle Ausrüstung in den Betrieben kräftig modernisiert und die Anlagen enorm ausgeweitet hatte, lag die industrielle Produktivität nach dem Krieg nur unwesentlich unter dem Niveau von 1938. Zudem kam mit den Vertriebenen ein riesiges Reservoir gut ausgebildeter Arbeitskräfte ins Land, die hochmotiviert anpackten, waren erst einmal die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass sich industrielle Beschäftigung auch wieder lohnte. Aus beiden Gründen ist der atemberaubende Wirtschaftsaufschwung, der nach 1950 einsetzen sollte, so wundersam nicht, wie es die Rede vom Wirtschaftswunder suggeriert.

Dennoch kam die psychologische Wirkung der Währungsreform einem fulminanten Startschuss gleich. Die Währungsreform schien die Uhren der Geschichte ein zweites Mal auf null zu stellen, nur drei Jahre nachdem die Deutschen schon einmal das Gefühl hatten, sie könnten oder müssten ganz von vorn anfangen. [223] Kaum jemand konnte sich der Magie dieses sorgfältig inszenierten Starts entziehen. Zum massenpsychologischen Gelingen des Take-offs gehörte auch ein egalitäres Moment. Indem die Währungsreform alle Bürger mit dem gleichen 60-DM -Besitz ausstattete, die Sparguthaben radikal entwertete und alle gemeinsam wie beim Monopoly-Spiel auf «Los» stellte, inszenierte sie den Zauber einer Chancengleichheit, die bis heute zum verbindlichen Soll der Bundesrepublik gehört. [224] Kaum ein Objekt erzählt davon so beredt wie der Volkswagen, obwohl (oder gerade weil) er ein Lieblingsprojekt Adolf Hitlers war.



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