Wir sind nur Menschen by Heinz G. Konsalik

Wir sind nur Menschen by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-30T04:00:00+00:00


Was Dr. Perthes kaum zu hoffen gewagt hatte, trat mit überraschender Plötzlichkeit ein: Sapolàna war bereits nach sieben Stunden fieberfrei! Perthes kniete an seinem Lager und fühlte den Puls, maß die Temperatur und wollte es nicht glauben. Bei sechs Kubikzentimeter Serum und akuter Pfeilvergiftung in dieser Zeit fieberfrei? Das übertraf alle Erwartungen, das eröffnete völlig neue, völlig andere Perspektiven in der Serumverwendung! Zwar war das Bein noch unförmig geschwollen, glasig und entzündet – aber die Macht des Giftes, das sah man deutlich, war gebrochen. Die akute Lebensgefahr bestand jetzt nur noch in der brandigen Wunde.

Jede halbe Stunde erneuerte Dr. Perthes oder Dr. Cartogeno den Tampon. Sie desinfizierten die ganze Hütte, wuschen den Häuptling mit antiseptischem Wasser und sorgten für eine gute Durchlüftung der Hütte. Am dritten Tag schüttelte Dr. Perthes den Kopf, nachdem er die Wunde untersucht hatte.

»Der Höllenstein war zu schwach«, sagte er. »Die Wunde bleibt brandig und greift sogar in die tieferen Gewebe über. Da wir keine klinischen Mittel hier haben, nützt nur eins: wie im Mittelalter ausbrennen!«

Dr. Cartogeno blickte zu Sapolàna hinüber, der die Besinnung noch immer nicht wiedererlangt hatte. Der Zauberer Sapolàra behandelte ihn mit Auflegen von feuchten, unbekannten Kräutern, Fußwaschungen mit einem giftgrünen Wasser, Kompressen auf die Stirn mit einer breiigen Masse, zu der er die Blätter, Wurzeln und widerlich stinkenden Blüten aus den Urwaldsümpfen holte. Dr. Perthes ließ ihn gewähren, denn er wußte, daß gerade die Wilden in der Wundbehandlung wahre Meister sind und mit primitiven Mitteln erstaunliche Erfolge erzielen.

Aus mitgebrachten Stahlinstrumenten ließ sich Perthes vom Schmied der Taràpas nach einer Zeichnung ein Glüheisen anfertigen. Als es ihm gebracht wurde, narkotisierte er von neuem den Kranken und begann, mit dem glühenden Eisen das Fleisch und den Wundbrand wegzusengen.

Widerlicher Geruch zog durch die Hütte. Der Körper des Ohnmächtigen zuckte wild. Die Nerven drohten zu zerreißen; dann war das Brennen beendet. Die Wunde wurde mit antiseptischem Wundpulver und Penicillin ausgelegt und danach in Schichten zugenäht.

Während dieser Operation stand Sapolàra wieder am Kopfende und beobachtete genau jeden Handgriff. Der alte Zauberer sah zum erstenmal in seinem Leben, wie ein menschlicher Körper schmerzlos operiert werden konnte, wie man Fleisch wegschneiden, ja wegbrennen konnte, ohne daß der Kranke schrie. Er erlebte erstmalig das Wunder der Narkose. Es war, als sei nach dieser radikalen Bekämpfung des Wundbrandes der Bann gebrochen. Das Serum zerstörte das Gift in der Blutbahn, die Entzündung ging zurück, die kühlen Umschläge des Zauberers bewirkten eine Erfrischung des Körpers und regten außerdem die natürlichen Widerstandskräfte, das wichtigste Hilfsmittel bei allen Heilungen, an. Das Bein verlor allmählich seine Unförmigkeit, es wurde wieder normal durchblutet, und eines Tages saß Sapolàna auf seinem Lager und beobachtete selbst, wie Perthes die Wundnaht kontrollierte und ihm eine Spritze gab. Kein Wort kam über die Lippen des Häuptlings, kein Muskel seines Gesichts verzog sich, als die Nadel in sein Fleisch drang und eine juckende Flüssigkeit in die Muskeln gespritzt wurde.

Drei Wochen nach dem Kommen der weißen Ärzte trat Sapolàna zum erstenmal wieder, an einem Bambusstock gehend, vor seine Krieger. Jubel und lautes Trommeln schlugen ihm entgegen – ein Heer von Kriegskanus vollführte eine wahre Schlacht.



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