Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben by Joan Didion

Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben by Joan Didion

Autor:Joan Didion [Joan Didion]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783843711302
Herausgeber: List Taschenbuch
veröffentlicht: 2015-05-13T16:00:00+00:00


Es war John Waynes 165. Film. Es war der 84. von Henry Hathaway. Es war Nummer 34 für Dean Martin, der einen alten Vertrag mit Hal Wallis abarbeitete, für den es die 65. unabhängige Produktion war. Der Film hieß Die vier Söhne der Katie Elder, ein Western, und mit einer dreimonatigen Verspätung hatten sie die Außenaufnahmen in Durango endlich abgeschlossen und waren jetzt dabei, die letzten Innenaufnahmen im Estudio Churubusco nicht weit von Mexico City zu machen, und die Sonne brannte, und die Luft war klar, und es war Zeit, Mittag zu essen. Draußen saßen die Jungs der mexikanischen Filmcrew unter den Pfefferbäumen und lutschten Karamelbonbons, etwas weiter die Straße runter saßen die Techniker vor einem Lokal, in dem es gefüllten Hummer und einen Tequila für einen Dollar gab, aber das ganze Talent, der Sinn der Übung, saß drinnen; in der höhlenartigen, leeren Kantine hockten sie alle um den großen Tisch herum, stocherten in huevos con queso und tranken Carta-Blanca-Bier. Dean Martin, unrasiert. Mack Gray, der Martin überallhin folgt. Bob Goodfried, zuständig für die Publicity bei Paramount, der eingeflogen war, um einen Trailer zusammenzustellen, und einen empfindlichen Magen hatte. »Tee und Toast«, wiederholte er ständig. »Das ist der Trick. Salat kannst du vergessen.« Henry Hathaway, der Regisseur, der Goodfried nicht zuzuhören schien. Und John Wayne, der niemandem zuzuhören schien.

»Diese Woche hat sich ziemlich hingezogen«, sagte Dean Martin zum dritten Mal.

»Wie kannst du sowas sagen?« wollte Mack Gray wissen.

»Diese … Woche … hat … sich … ziemlich … hingezogen, so kann ich das sagen.«

»Du meinst doch nicht etwa, du willst, daß sie vorbei ist.«

»Ich sag’s dir ganz deutlich, Mack; ich will, daß sie vorbei ist. Morgen abend rasiere ich mir diesen Bart ab, fahre zum Flughafen und dann: adios amigos! Bye-bye muchachos!«

Henry Hathaway zündete sich eine Zigarre an und tätschelte liebevoll Martins Arm. »Nicht morgen, Dino.«

»Henry, was willst du denn noch dranhängen? Einen Weltkrieg?«

Hathaway tätschelte noch einmal Martins Arm und starrte vor sich hin. Am Ende des Tisches redete jemand von einem Mann, der vor einigen Jahren vergeblich versucht hatte, ein Flugzeug in die Luft zu jagen.

»Der ist immer noch im Knast«, sagte Hathaway auf einmal.

»Im Knast?« Martin war für einen Moment abgelenkt von der Frage, ob er seine Golfschläger mit Bob Goodfried zurückschicken oder sie Mack Gray anvertrauen sollte.

»Wieso im Knast, wenn keiner getötet wurde?«

»Mordversuch, Dino«, sagte Hathaway sanft. »Ein Kapitalverbrechen.«

»Du meinst, einer versucht mich bloß umzubringen und landet schon im Knast?«

Hathaway nahm die Zigarre aus dem Mund und sah über den Tisch. »Einer, der versucht, mich umzubringen, landet garantiert nicht im Knast. Was denkst du, Duke?«

Sehr langsam wischte sich der Adressat von Hathaways Frage über den Mund, stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. Da war sie, authentisch und im Original, die Bewegung, die schon tausend Szenen auf 165 flimmernden Prärien und phantasmagorischen Schlachtfeldern ihrem Höhepunkt zugeführt hatte und nun auch diese hier, in der Kantine im Estudio Churubusco nicht weit von Mexico City, ihrem Höhepunkt zuführen würde. »Gut«, sagte John Wayne langsam. »Ich würde ihn töten.«

Beinahe die gesamte



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