Wie ich zum Tode verurteilt wurde. Die Marinetragödie im Sommer 1917 by Hans Beckers
Autor:Hans Beckers [Beckers, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105606421
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-10-23T16:00:00+00:00
Das Kriegsgericht
Unsere »Sache« war nun schon verhandlungsreif, Tausende von Aktenbogen waren beschrieben, und das Netz der Anklage hatte sich verdichtet. Wie Rekruten kurz vor der Besichtigung durch irgendein »hohes Tier« wurden wir von flinken Händen hier und da noch einmal zurechtgerückt, dann kam der Tag der Entscheidung, der 25. August, ein Sonnabend. –
Wir atmeten erleichtert auf. Die dunkle Zeit der quälenden Untersuchungshaft sollte ein Ende nehmen. Was alles gegen uns vorlag, lag im dunkeln, da man uns keine Anklageschrift ausgehändigt hatte. Für die Todeskandidaten lag wohl die Notwendigkeit hierzu nicht vor. Übrigens waren wir ja nur Laufbrett für den Karrieresprung junger und tatenfroher Kriegs-Gerichtsräte. –
Eine Stunde vor Beginn der Verhandlung drängten sich ein halbes Hundert Menschen auf dem Gerichtsflur. Waffenklirrende Posten und Gefangene in leichtem Drillichzeug. Wir Todeskandidaten begrüßten uns herzlich. Alle sahen blaß und abgespannt aus. Mit uns fünf »Hauptverschwörern« erwarteten vier andere Kameraden die Gerichtsverhandlung. Bieber, Linke (»Helgoland«), Bräuner (»Kaiserin«) und Fischer (»Pillau«). –
Die Posten, neugierig bis zum Platzen, bestürmten uns mit Fragen, und alle zeigten große Teilnahme an unserem Geschick, weil sie fühlten, daß uns Unrecht geschah. Mutmaßungen über den Ausgang der bevorstehenden Verhandlungen flogen hin und her. Die Posten wollten uns trösten. Weber versuchte in erregter Weise einer Gruppe etwas klarzumachen. Sachse und Reichpietsch hörten stillschweigend zu, und Köbis zuckte ungläubig mit den Schultern. Auch ich hatte nicht die Zuversicht der Unbeteiligten. Hinter der Tür zum großen Saale lauerte die Militärjustiz – bereit, die »heiligsten Güter« der Nation zu wahren und zu deren Erhaltung vor keinem Mittel zurückzuschrecken. Wir waren die Opfer. – Breil kam daher und nahm mich beiseite. »Also Beckers, geben Sie doch zu, daß Sie die Gewaltidee gewollt haben. Machen Sie mir doch keine Schwierigkeiten, es hat ja doch keinen Zweck!« – Ich war erstaunt über die Naivität meines Anklagevertreters. Ich sollte also eine nicht gewollte Absicht zugeben, damit es jenem leicht fiel, nachher ohne Aufwand juristischer Intelligenz die von ihm beantragte Todesstrafe zu begründen. Breil schien doch ein Gemütsmensch zu sein. Gehässig, wie Angeklagte nun einmal sind, – lehnte ich ab, ihm zu helfen, worauf er mir erwiderte: »Denken Sie doch an die ›Klage der Heizer‹«! – Er meinte damit eine Stelle aus meinem Tagebuch, das vom Gericht beschlagnahmt worden war und allerlei Liebenswürdigkeiten in Poesie und Prosa gegen die herrschende Klasse enthielt. Die »Klage der Heizer« war die Überschrift folgender Zeilen:
»Uns Armen ist’s vergönnt, das Sonnenlicht in dienstlich freien Augenblicken nur zu schauen!«
Antwort des Weltgeistes:
»Zu Eurem Troste sei’s denn nun gesagt,
daß nur im Dämmerlichte dumpfer Räume der Widerspruchsgedanke kann geboren werden,
der einstmals alle Bande sogenannter Ordnung sprengen wird.« –
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