Weltordnung ohne den Westen? by Gernot Erler

Weltordnung ohne den Westen? by Gernot Erler

Autor:Gernot Erler
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder
veröffentlicht: 2018-03-26T16:00:00+00:00


Partei sein statt Vermittler

Wer sich dem »Hören und Reagieren auf die Stimme der Vergessenen« verschrieben hat, und das aus gutem Grund, da vor allem die ihn zum Präsidenten gewählt haben, der braucht »Feinde«, um diesen die Verantwortung für die Probleme anlasten zu können. »Schuld« sind die egoistischen Eliten in Washington, »Schuld« sind die Zuwanderer aus dem Süden, weshalb die Mauer in Mexiko gebaut werden muss. »Schuld« ist vor allem die Migration aus muslimischen Ländern, die Amerika unsicher macht und deswegen gestoppt werden muss, und »schuld« ist sein Vorgänger Obama, der all diese schlechten Deals mit Staaten abgeschlossen hat, die sich alle uneinsichtig und feindselig gegenüber den Vereinigten Staaten verhalten, was ebenfalls geändert werden muss. Die Innenpolitik ist es, mitsamt der Option auf den Machterhalt, die hier ihre Wirkung auf die internationale Politik ausübt.

Das Problem ist nur diese komplizierte Gemengelage. Wer den Konflikt mit Nordkorea unter Kontrolle bringen und die Gefahr eines Atomkriegs bannen will, wird über kurz oder lang in einen Verhandlungsprozess eintreten müssen, vielleicht im Rückgriff auf die Sechs-Parteien-Gespräche (2003‒2006) mit Japan, den beiden Koreas sowie Russland und China als Partner der Vereinigten Staaten. Setzt man aber auf einen solchen Ansatz, braucht man eine vernünftige Kooperation mit Peking und Moskau. Dem steht im Moment das von Trump forcierte schlechte Verhältnis zu beiden Mächten entgegen. Eigentlich hatte sich der Wahlkämpfer Trump ja anerkennend über die politische Durchsetzungskraft von Wladimir Putin geäußert und die Absicht kundgetan, er wolle das Verhältnis mit Russland normalisieren. Aber das kann nicht gelingen, solange nicht die Frage der Zusammenarbeit von Trumps Wahlkampfteam mit russischen Diensten definitiv geklärt ist. Bei dem Ringen um die Hegemonie im Mittleren Osten zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hat Donald Trump, anders als sein Vorgänger, eindeutig zugunsten Riads Partei genommen und das mit einem Superwaffendeal über 110 Milliarden Dollar besiegelt. Seitdem kann Washington keine Vermittlerrolle mehr spielen in diesem Konflikt, der für das Elend der Stellvertreterkriege in Syrien wie auch im Jemen hauptsächlich verantwortlich ist. Dasselbe gilt für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: Seit Trumps Jerusalem-Entscheidung fällt Amerika als Mittler in diesem Spannungsfeld auf unbegrenzte Zeit aus, und damit ist die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses vorerst erloschen.

Die Weltmacht Amerika ist nach dem Ende der Präsidentschaft von Barack Obama und mit dem Amtsantritt von Donald Trump in eine neue Phase eingetreten. Es ist zu früh, sich darauf festzulegen, was das für die Neue Weltordnung bedeutet. Aber bestimmte Tendenzen lassen sich benennen: Amerika bleibt vorerst die militärisch und wirtschaftlich stärkste Macht der Welt, auch wenn im ökonomischen Bereich der Atem Chinas im Nacken schon zu spüren ist. Die beiden aufstrebenden Ordnungsmächte China und Russland machen sich keine Sorgen, dass Washington ihnen den Weg in die gewünschte multipolare Weltordnung versperren könnte. Sie blicken auf eine große Macht, die andere Prioritäten setzt. Eine ausformulierte Strategie des Grand Design für die Entwicklung der Weltgesellschaft in Richtung einer neuen und gerechteren Weltordnung wird nirgends sichtbar. Allenfalls bringt die America-First-Doktrin so eine Formel hervor, die besagt, was gut für Amerika ist, hilft auch anderen – wachsen die Vereinigten Staaten, wächst mit ihnen auch die ganze Welt und profitiert davon.



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