Welsh, Louise by Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar

Welsh, Louise by Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar

Autor:Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


18

JANE LEGTE DAS TELEFON wieder auf die Station und versuchte, sich nicht darüber zu ärgern, dass Petras Anruf so kurz gewesen war, dass es ihr vorkam, als wäre es ein Punkt auf einer langen Agenda. Sie stellte den CD-Player wieder an, und die ruhige Stimme des Deutschkurses fuhr fort.

Für mich ist ein Einschreibebrief da.

Sie wiederholte den Satz und versuchte, die deutliche Sprechweise des Lehrers nachzuahmen.

»Für mich ist ein Einschreibebrief da.«

Wie heißen Sie bitte?

»Wie heißen Sie bitte?«

Brigitte Hoffmann.

»Jane Logan«

Sie hatte wegen der Dunkelheit die Lampen angemacht, und das Wohnzimmer war hell erleuchtet vom sorgfältig abgestimmten Licht, so steril, dass es zur Klinik eines gefeierten Schönheitschirurgen gehören könnte. Man konnte sich gut vorstellen, wie Chirurgen mit Mundschutz einen Instrumentenwagen in den fast leeren Raum schoben, um Schönheit zu erschaffen. Sie sah sie einen Moment vor sich, die Hände mit Handschuhen tief im Blut. Aber das Bild war zu belastend im Hinblick auf die bevorstehende Geburt, und sie verdrängte es.

Ja, hier ist ein Einschreibebrief für Sie. Zeigen Sie mir bitte Ihren Ausweis.

»Ja, hier ist ein Einschreibebrief für Sie …«

Sie hatte den Anschluss verloren. Sie nahm das Buch zur CD und versuchte, die richtige Seite zu finden.

Hier bitte.

Und unterschreiben Sie hier.

Es war sinnlos. Sie hätte einen Kurs beim Goethe-Institut belegen sollen, wie Petra vorgeschlagen hatte.

Geben Sie mir bitte vier Briefmarken …

Jane schaltete die CD aus und legte die Packung Zigaretten auf den Tisch. Es waren noch drei übrig. Danach würde sie endgültig aufhören oder zumindest bis nach der Geburt des Kindes. Das Dilemma war, ob sie jetzt eine rauchte oder sie für morgen aufbewahrte. Sie starrte die Schachtel an, betrachtete das Logo, die vertrauten Druckbuchstaben, die sie früher so schick fand. Morgens war das Verlangen immer am größten, aber abends war ganz nah dran, und direkt vor nachmittags.

Jane hatte Petras Anruf beinahe gefürchtet und war in Sorge gewesen, dass sie vielleicht zuerst mit Tielo gesprochen hatte und sie für den Besuch der Sozialarbeiter verantwortlich machen würde. Aber Petra hatte sie auf Lautsprecher gestellt, während sie sich fürs Abendessen ankleidete, und nach dem Kind gefragt. Bewegte er sich viel? Er, es war immer er. Hatte Jane ihm Musik vorgespielt? Hielt sie sich an die Diät, die sie verabredet hatten?

Jane nahm die Schachtel vom Tisch und schüttelte eine Zigarette heraus.

»Okay, Soldat«, flüsterte sie, »Zeit, deine Pflicht zu tun.«

Das Summen des Telefons holte sie ins Leben zurück. Sie durchquerte das Zimmer und riss es ans Ohr. Es war typisch für Petra, dass sie wegen der Arbeit abgelenkt war, und typisch, wieder anzurufen und sich zu entschuldigen.

»Hey, kleines Mädchen«, sie sprach ein schleppendes amerikanisches Englisch, wie sie es manchmal im Liebesspiel tat. »In der Stimmung für Telefonsex?«

»Das ist das beste Angebot, das ich heute bekommen habe.« Die Stimme war männlich, mit Akzent, aber sie konnte ihn nicht genau erkennen.

Schamesröte breitete sich heiß von der Brust den Hals hinauf aus.

»Entschuldigung, wer ist da?«

»Jürgen Tillman, Johannes’ Freund. Wir haben uns vor ein paar Tagen auf Ihrer Dinnerparty kennengelernt.«

»Oh, ja.« Sie hatte keine Ahnung, warum er sie anrief. »Wie geht es Ihnen?«

»Bei bester Gesundheit.



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