Wehe, wenn der Krampus kommt by Werner Gerl

Wehe, wenn der Krampus kommt by Werner Gerl

Autor:Werner Gerl [Gerl, Werner]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Weihnachten, Bayern, Krimi, Anthologie, Nicola Förg, Iny Lorentz, Spannung, Humor
ISBN: 978-3-86906-804-6
Herausgeber: Allitera Verlag
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


UNTERM BAUM

Roland Krause

Er trägt eine billige Weihnachtsmannmütze samt Filzpuschel auf dem Kopf. Eigentlich nichts Besonderes für Heiligabend – wenn dieser Kopf nicht, sauber vom Leib getrennt, auf einem schneebedeckten Grundstück in Münchner Norden platziert wäre. Der dazugehörige Torso fehlt.

Daneben, auf Augenhöhe mit dem bemützten Schädel, behauptet ein blutbesudelter Gartenzwerg seinen Platz, samt Rauschebart und geschultertem Sack. Das Stillleben wird von einer hoch aufragenden, lampenbehängten Tanne komplettiert.

Was für ein skurriles Ensemble, denkt sich der Hauptkommissar Sandner, wie er sich bückt, um dem Toten ins Antlitz zu schauen. Die starren Augen sind aufgerissen, der Mund zeigt noch ein »Oh«, als hätte der Mann gerade sein Geschenk ausgepackt.

»Ho Ho Ho«, wird der Mordermittler vom Gerichtsmediziner begrüßt, der sich neben ihm aufgebaut hat.

Der Sandner richtet sich auf.

Die beiden Männer werfen sich einen vielsagenden Blick zu. Der Polizist legt den Kopf in den Nacken, er ist kleiner und kompakter gebaut als der hagere Arzt, dafür aber noch mit dunkelblondem Haupthaar ausgestattet.

»Sauber«, sagt er bloß und verkneift sich die Frage nach der Todesursache oder gar den drittklassigen Spruch von der »schönen Bescherung«.

»Hier müsste auch der Tatort sein«, meint der Doktor, »passiert ist es, grob geschätzt, vor zwei Stunden.«

Der Sandner bemerkt die frischen Kerben am Baumstamm, mutmaßlich von einer Axt verursacht. Das Kabel für die Beleuchtung ist durchtrennt. Da könnte jemand versucht haben, die Tanne zu exekutieren oder den Berserker zu geben.

Der Polizist schnauft durch und beschaut sich das Gelände. Ein blitzsauberes Haus aus den Siebzigern kommt ihm ins Blickfeld, samt heckengeschorener Gartenlandschaft, alles picobello aufgeräumt, sortiert und gestriegelt.

In eine ruhige Ecke von München hat es den Mordermittler verschlagen, »dort wo die Straßen Vogelnamen haben«. Ringsgwandls Song vom »Gartennazi« kommt ihm in den Sinn.

Die Dämmerung hat bereits eingesetzt.

Am Jägerzaun, der das Grundstück umsäumt, drängen sich die Leute. Ordentlich zu Pärchen mittleren Alters sortiert harren sie aus, schweigend, Hälse reckend, die Kragen der Mäntel hochgeschlagen. Mutmaßlich Anwohner. Ihre Kinder haben sie verräumt. Bald wird es Bescherung geben. Ein geköpfter Weihnachtsmann wäre eine derbe Watschn für die Illusionen. Die Kurzen würden sich sorgenvoll fragen, ob heuer die Geschenke von einer Aushilfskraft herbeigeschafft würden.

Wenn der Hauptkommissar Sandner nicht wäre, müssten sie bei der Mordkommission zur Weihnachtszeit auch Personal leasen. Die übrigen Dienstverpflichteten hetzen stadtweit umher, um sich familiären Massakern zu widmen. Weihnachtsbetulichkeit und Haussegen sind ja, physisch betrachtet, zwei Pole, die sich gegenseitig abstoßen.

Weil die »staade Zeit« daherlärmt wie das Oktoberfest mit Glühweinausschank, hat der Sandner mit ihr nix am Hut, auch wenn Mandelmakronen süßer schmecken als Einsamkeit. Trotzdem kann man ihm nicht unterstellen, dass ein geköpfter Weihnachtsmann für ihn eine willkommene Ablenkung wäre.

Mittlerweile ist der Schädel mit einem Tuch bedeckt, die Polizisten haben über ihm einen Pavillon zusammengesteckt. Strahler leuchten jeden Winkel aus. Nach zwei Stunden Schneetreiben sind verwertbare Spuren Mangelware. Immerhin hatte der Kopf eine Mütze auf.

Der Sandner schlendert zum Zaun und mustert die Umstehenden. Ein Mittvierziger mit kahl rasiertem Haupt ist gerade seinem SUV entstiegen und nähert sich mit forschem Schritt.

»Wie lang dauert das noch?«, will er wissen. »Ihr Fuhrpark versperrt mir den Weg.«

Sandners Antwort kommt beiläufig daher.



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