Waterfire Saga (3) - Das dritte Lied der Meere by Jennifer Donnelly

Waterfire Saga (3) - Das dritte Lied der Meere by Jennifer Donnelly

Autor:Jennifer Donnelly [Donnelly, Jennifer]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Schneiderbuch.digital bei Egmont Verlagsgesellschaften mbH
veröffentlicht: 2016-02-17T23:00:00+00:00


KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

„Achtung!“, bellte eine raue Stimme.

Ling sprang aus dem Stockbett, bevor sie auch nur die Augen aufmachen konnte. Sie war zwar erst seit einer Woche in dem Lager, aber ihr war klar, dass man bei der Selektion schnell sein musste. Wer zu langsam war, dem wurde die Essensration für den Tag entzogen.

Rasch nahm sie ihren Platz unter den abgemagerten und kränklichen Gefangenen ein, die in Baracke fünf lebten. Alle stellten sich in einer Reihe vor ihren Betten auf – die Hände an den Seiten, den Blick geradeaus gerichtet. Ling befand sich fast am Ende der Reihe.

Zwei Todesreiter standen links und rechts von der offenen Barackentür. Ihr Kommandant – Feldwebel Feng – kam nun herein, eine Gerte in der Hand. Hochgewachsen und forsch, schwamm er an den Gefangenen vorbei und musterte sie, als würde er Seekühe begutachten.

Er berührte einen Meermann mit seiner Gerte. Hob einem anderen das Kinn an. „Du“, sagte er zu einem dritten.

Angst trat in die Augen der Gefangenen, sobald sich Feng näherte. Daraus wurde Erleichterung, wenn er vorbeischwamm, Entsetzen, wenn er haltmachte. Alle schwiegen, während er die Reihe inspizierte. Alle außer einer Meerjungfrau, die wagte, etwas zu sagen, nachdem sie ausgewählt wurde.

„Bitte, Herr Offizier … Ich habe ein Kind hier. Sein Vater ist tot. Es hat sonst niemanden …“

Der Feldwebel schwang seine Gerte so schnell, dass die Meerjungfrau den Hieb nicht kommen sah. Der Schmerz ließ sie verstummen. Tränen schossen ihr in die Augen, während sich ein roter Striemen auf ihrer Wange abzeichnete, und sie nahm ihren Platz bei den anderen Selektierten draußen vor der Baracke ein.

Noch drei weitere Meerjungfrauen wurden ausgewählt. Und fünf Meermänner. Der Feldwebel hatte die Selektion fast abgeschlossen, als er vor Ling haltmachte. Er beäugte ihren schmutzigen Gips, dann schwamm er weiter.

Ling hatte sich das Handgelenk gebrochen, als sie im Schleppnetz eines Trawlers von Rafe Mfeme gefangen wurde. Dem Gips verdankte sie ihr Leben. Ohne ihn wäre sie längst ausgewählt worden.

Der Feldwebel suchte noch zwei Meermänner aus, dann drehte er sich um und sprach zu den verbliebenen Gefangenen. „Ihr Übrigen, arbeitet hart, damit auch ihr bald ausgewählt werdet!“, sagte er. Dann schwammen er und seine Soldaten zur Tür hinaus.

Ling hörte, wie die Meermenschen ringsum aufatmeten. Einige weinten, weil ein Freund oder Bettnachbar mitgenommen worden war. Die Todesreiter behaupteten, es sei eine Ehre, zu den Ausgewählten zu gehören, dass nur die Stärksten und Mutigsten infrage kämen. Aber Ling – und jeder andere in den Baracken – kannte die Wahrheit.

„Also ist uns wohl noch ein Tag in den Gefilden der Seligen vergönnt“, flüsterte Lings Bettnachbarin Tung-Mei. Sie war vor drei Tagen im Lager angekommen.

Ling lächelte säuerlich über den Spitznamen, den die Häftlinge dem Gefangenenlager in einem flachen Tal neben dem Gähnenden Abgrund gegeben hatten.

„Bis später, Ling … falls keine von uns zu Tode geprügelt wird. Ich gehe mal, bevor sie mir das Frühstück kürzen“, sagte Tung-Mei.

Sie schoss zur Tür hinaus und verschwand in den Scharen der Gefangenen, die zu ihrem Arbeitsplatz eilten. In den Fluten war es noch nicht einmal richtig hell, aber die Häftlinge wurden gezwungen, zwei Stunden zu arbeiten, bevor eine Mahlzeit ausgeteilt wurde.



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