Vorbei … by Walther von Hollander

Vorbei … by Walther von Hollander

Autor:Walther von Hollander [Hollander, Walther von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-02-26T00:00:00+00:00


17

Blauer Oktobermittag über B. Eisenbahndirektor Schwarz und Rechtsanwalt Klusemann kamen langsam den Plan herauf, dessen Holperpflaster in der Sonne brannte. Klusemann, im hohen Kragen mit der Schmetterlingsschleife davor, über der genau parallel wie ein zweiter Schmetterling der steife Schnurrbart sass, Schwarz mit einem grauen Halbzylinder, dem letzten englischen Zylinder von B. Klusemann, hatte den Brief einer Auskunftei mit schwer deutbaren Auskünften über Grossmann in der Tasche. Der Hotelkonzern in Berlin sass durch die Kündigung eines Millionenkredites in der Patsche. Aber die Börse rechnete anscheinend so sehr mit Grossmanns Geschicklichkeit, dass die Aktien noch ziemlich hoch standen. Sollte man nun, so fragte Klusemann, auf Grossmann gegen Rittmeister von Schwiering setzen oder auf Schwiering gegen Grossmann? Schwarz konnte nicht antworten, denn er war gerade in ein Gespräch mit dem Obersten Honnigel verwickelt, dem schwerhörigen Honnigel, der im Ruhestand ein berühmter Obstzüchter geworden war. Der weisshaarige Alte hielt alle Menschen für gleichfalls taub und pflegte seine markanten Meinungen laut durch die Stadt zu trompeten. Jetzt schrie er gerade, man müsse „diesen landfremden Grossmann wegjagen“, er schrie, dass man vielleicht Asphaltpflanzen ohne Jauche grosskriegen könne, aber nicht Apfelbäume.

Schwarz versuchte den Obersten etwas leiser zu stimmen. Er sagte sehr bestimmt: „Schliesslich muss man mit der Zeit schreiten.“

Er wiederholte schreiend: „... mit der Zeit schreiten.“

Honnigel presste seinen nikotingelben Schnurrbart an Schwarzens Ohr. Er glaubte leise zu sprechen, aber leider schrie er: „Schreiten ... ich schreite nicht. Soll ich Ihnen sagen, was ich mit dieser neuen Zeit und ihren Spekulanten tue ... ich ...“

Er sagte es deutlich und kräftig. Frau Tortenbäcker Gundermann, die vor ihrer Bäckerei stand, flüchtete in ihre Tortenstube. Der Papierhändler Kussler, der gerade seine Auslage veränderte, die Fürstenbilder mehr nach hinten schob, die Herbststimmungen nach vorne — Kussler strich missbilligend seinen schwarzen Bart. Oberst Honnigel aber stelzte stolz und erleichtert auf seinen rheumatischen Reiterbeinen davon.

„Der Widerstand gegen das Kanalisationsprojekt wächst“, sagte Schwarz zu Klusemann. Klusemann nickte. Das geht gegen Grossmann, dachte er. Also setzen wir gegen Grossmann. Er bog mit Schwarz ins Café Gresshorn ein. Dort hatte man der Herbstsonne wegen die grosse Scheibe hochgezogen und den Stammtisch halb ins Freie gerückt. Bis jetzt waren nur Rittmeister a. D. v. Schwiering erschienen und Leutnant a. D. v. Wüstefeld. Ein Gegner und ein Freund Grossmanns also. Jeder war entschlossen, dem anderen Auskünfte über Grossmann abzunehmen. Darum begannen sie das Wetter zu loben, über die Fürstin L. zu sprechen, über den jungen Hagendörp, über diese Schauspielerin aus Braunschweig und dass Grossmann ihr einen Strauss an die Bahn gebracht hatte, und da waren sie denn beim Thema. Aber natürlich sprachen sie nicht offen miteinander, sondern sie beschlichen sich wie Knaben, die Indianer spielen.

Zur gleichen Zeit wurde im Rathaus über Grossmann verhandelt. Beim Bürgermeister Koste sass Lagerverwalter Ohlroch mit zwei anderen Stadtverordneten. Sie sprachen seit zehn Minuten. Der spitznasige, glatzköpfige Koste liess sie sprechen. Er sass hinter seinem Schreibtisch, blätterte nervös in seinen Akten, in den Eingaben und musterhaften Zeichnungen Grossmanns. Natürlich hörte er nicht zu. Was die Stadtverordneten sagten, wusste er auch so. Dass Grossmanns Freigebigkeit verdächtig sei, seine Gesellschaften verdächtig, seine Pferde, sein Trompeter.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.