Von Istanbul nach Hakkari by Tevfik Turan (Herausgeber)

Von Istanbul nach Hakkari by Tevfik Turan (Herausgeber)

Autor:Tevfik Turan (Herausgeber) [Turan, Tevfik]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Ägäis, Anatolien, Ankara, Dyarbakir, Großstadt, Istanbul, Mittelmeer, Schwarzes Meer, Türkei, Türkische Bibliothek
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Diyarbakir

Das Heidenviertel

Mıgırdiç Margosyan

Es war ein Wintertag. Schnee hatte die schmalen Gassen Diyarbakırs zugedeckt und sich die Welt zum untertangemacht. Schnee, weiß wie der Weißbart des Heiligen Sarkis, erstreckte sich entlang des Wegs, kletterte dann die Stufen vom Vorhof hinauf zur Kirche, um hoch auf dem Glockenturm das Kreuz, das von dort oben die Stadt segnete, zu umarmen und zu küssen.

Uso war der Küster der Kirche. Auch Verrückter Uso genannt. Eigentlich wäre es richtiger ausgedrückt, ihn als ein bisschen schwach im Kopf zu bezeichnen. Bevor Uso mit dem Dienst an der Kirchenglocke betraut wurde, arbeitete er an der Seite seines drei Jahre älteren Bruders Sabro, des Schmiedes, und betätigte den Blasebalg. Als Uso sich dann mit seinem beschränkten Verstand anschickte, von Zeit zu Zeit dem Schmied Sabro – Spitzname Nervenbündel – Ratschläge zu erteilen, brach die Hölle los: Die Brüder vergaßen, dass sie Brüder waren, und der Streit artete in einen Kampf Meister gegen Lehrling aus. Nur weil sich die Nachbarn einmischten, konnte verhindert werden, dass Blut floss, und sie konnten die beiden überzeugen, die Waffen niederzulegen. Wutschnaubend riss sich Uso die Lederschürze vom Leib, schmiss sie seinem Bruder an den Kopf und verkündete, dass er hier nicht mehr länger arbeiten werde: »Ich fick meine Mutter, wenn ich noch einmal diesen Schuppen betrete«, schrie er, schleuderte noch eine Reihe von Flüchen hinterher und ging, wie er es schon zuvor nach ähnlichen Auseinandersetzungen getan hatte, vier Werkstätten weiter, zur Eisenschmiede seines Zwillingsbruders Rizgo, und stürzte sich dort geradewegs auf den Blasebalg.

Uso pendelte zwischen seinen Brüdern Sabro und Rizgo, das war zu einem normalen und gewohnten Anblick geworden. Es gab auch niemanden mehr, den diese Streitigkeiten verwunderten. Sabro und Rizgo waren verheiratet und hatten jeder einen eigenen Hausstand gegründet. Nachdem der Vater gestorben war, lebte die Mutter Rehan Baco mit ihrem Sohn Uso in einem kleinen Schuppen im Hof der Kirche. Die Entscheidung, nach dem Tode des Küsters Zifkar Uso auf die verwaiste Stelle zu hieven, wurde vom Kirchenrat noch nie dagewesener Einigkeit bestätigt. Die armenische Gemeinschaft begrüßte mit Beifall den Entschluss der Kirchenrats-Leitung, weil so zwei Fliegen mit einem Streich erledigt wurden. Erstens wurden auf diese Weise Blutvergießen verhindert, weil die Brüder vielleicht einmal mit Sichel oder Schmiedehammer aufeinander losgehen würden, und Uso würde mit seinen vierzig Jahren endlich aufhören, Schmiedelehrling zu sein. Und, was noch wichtiger war: Vielleicht würde ihn diese Ernennung in Zukunft daran hindern, immer dann, wenn es ihm einfach in den Sinn kam, aus reinem Spaß an der Freude wie ein Verruchter am Glockenstrang zu ziehen. Vielleicht würde sein neues Amt zur Folge haben, dass er in der Kirche, also zu Hause, blieb und keiner ihn mehr aufziehen und sich an den erlesensten Exemplaren seiner unglaublichen Flüche ergötzen könnte.

Dann kam der Tag, jener strahlend weiße Tag, als Uso zu Ohren kam, dass Meryem, diese junge Schönheit, gestorben war, war er zutiefst getroffen. Jedem Verstorbenen weinte er hinterher, seine Augen waren zwei unversiegbare Quellen, wie es sich gehörte. Nachdem er um Meryem geweint hatte, sagte er in einem fort



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