Vier neue Nachrichten by Joshua Cohen

Vier neue Nachrichten by Joshua Cohen

Autor:Joshua Cohen
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Schöffling & Co.
veröffentlicht: 2014-05-26T22:00:00+00:00


Gesendet

I. Das Bett

Betten werden aus Bäumen gemacht, und Särge sind Betten mit Deckeln. Tod ist Schlaf ohne Boden. Von Natur aus stumm, bewusstlos und tiefschwarz –

Stell dir vor, du gehst durch einen Traum. Aber dein Traum ist mehr als das, ist nicht bloß offen. Dein Traum ist nicht einfach eine große, graue, offene Nebellandschaft, in die du hineinschreiten, die du beliebig durchqueren kannst, in die du eine Hand, einen Arm oder ein Bein hineinsteckst und dich hindurchschlängelst, nein.

Auch hier gibt es Hindernisse. Es ist ein Traum mit Hindernissen.

Und deshalb ist er wirklich. Deshalb ist er das wahre Leben.

Du gehst durch den Wald, aber du kannst nicht geradeaus durchgehen, du musst da langgehen, wo dich der Wald hingehen lässt, um die Bäume herum, die dir sagen, Hier und Dort und Hier. Wenn geradeaus dein Ziel ist, musst du krumme Wege gehen. Wenn krumm dein Ziel ist, musst du versuchen, noch krummer zu werden. Nein, das sollte dir eine Fee sagen, ein Dryadenwesen: »Wenn geradeaus dein Ziel ist, musst du krumm gehen. Wenn dein Pfad sich krümmt, geh und krümm dich.«

Ja, Fee. Ja, Trollokobold.

Ich bin ein Waldarbeiter. Ein Mann des Waldes. Nein. Du bist ein Waldarbeiter. Du bist ein Mann des Waldes. Nein. Rüttle den Baum. Entwurzle die Wurzeln. Er, genau, er ist ein Waldarbeiter, er ist ein Männlein im Walde. Er ist dick wie ein Baum und braun wie ein Baum, und nichts an ihm ist grün. Er hat einen Rindenbart. Astlöcher als Augen, Astlöcher als Ohren und ein Astloch als Mund, aber beim Gehen schweigt er. Seine Frau hat er in ihrem Blockhaus zurückgelassen. Von dort dringen Geräusche. Ihr Blockhaus besteht aus Baumstämmen, aus Bäumen, ist unbefenstert. Sie liegt auf der Erde und erwartet ein Kind. Es wird ihr erstes. Neues Laub, ein neues Blatt, ein lappenförmiges Kind mit einem Stängel zwischen den Beinen. Bei der Niederkunft liegt sie auf dem Boden, wälzt sich niedergekommen, dick und mephitisch. Sie schreit und schreit, und ihre Augen wüten. (Er muss sich beeilen.)

Feen? »Du musst dich beeilen!«

Ihr Geister der Lilim und euresgleichen? »Schnell, lauf doch!«

Er muss ihr ein Bett machen. Er muss ihr ein Bett machen, in dem sie gebären kann. Und es muss gut gemacht werden, damit es eine gute Geburt wird. Aber er muss es bald machen, muss sich beeilen.

Seine Axt hat einen Namen, aber niemand wird ihn je erfahren. Der Name ist ein Geheimnis im Gegensatz zu dem seines Kindes, bei dem jeder ihn oder sie rufen wird, er erwartet einen Ihn. Der Axtname ist geheim, weil er ihn nur ausspricht, wenn er die Macht der Axt braucht. Die Axt wurde eigens für seinen Vater geschmiedet und verfügt über magische Kräfte, an die seine Väter glaubten und an die er, das Kind seines Vaters, manchmal glaubt. Manchmal fragt er sich aber auch, warum eine Axt einen Axtnamen haben sollte, so wie ein Kind einen Kindsnamen hat, und warum er geheim ist, und in dieser Verwunderung liegt ein Unbehagen, das er nicht ganz verstehen kann oder will. (Ihm genügt zu wissen, dass die Axt scharf ist, auch wenn er sie seit der Heirat nicht mehr gewetzt hat.



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