Venetia und der Wüstling by Georgette Heyer
Autor:Georgette Heyer [Heyer, Georgette]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7325-3178-3
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2016-01-14T23:00:00+00:00
12. KAPITEL
Als Venetia am nächsten Morgen aufwachte, war sie sich einer Bedrückung bewusst, die nicht leichter wurde, als sie gleich darauf entdeckte, dass ihre einzige Gesellschafterin am Frühstückstisch Mrs. Scorrier war. Charlotte lag noch im Bett und Aubrey hatte Ribble aufgetragen, ihm Kaffee und Butterbrot in die Bibliothek zu bringen.
Mrs. Scorrier begrüßte sie entschlossen liebenswürdig, ließ aber in Venetia eine ungewohnte Wut aufwallen, als sie sie aufforderte, ihr doch zu sagen, ob sie gern Sahne in ihrem Kaffee hätte. Einen Augenblick traute sie sich keine Antwort zu, aber nachdem sie sich sagte, ihr Zorn sei übertrieben, gelang es ihr, ihn zu unterdrücken. Sie antwortete, Mrs. Scorrier möge sich doch nicht die Mühe machen, sie zu bedienen. Mrs. Scorrier, von der plötzlichen Flamme in jenen für gewöhnlich lächelnden Augen eingeschüchtert, drängte nicht weiter in sie, sondern ließ ein überströmendes Loblied vom Stapel, sowohl über das Bett, in dem sie geschlafen hatte, wie über die Aussicht von ihrem Fenster und das Fehlen jeden Straßenlärms. Venetia ging sehr höflich darauf ein, aber als Mrs. Scorrier ihr Erstaunen ausdrückte, dass Venetia Aubrey erlaubte, sein Frühstück einzunehmen, wann und wo es ihm gerade gefiel, war der Ton, in dem sie antwortete: „Nein, wirklich, Ma’am?“, äußerst entmutigend.
„Vielleicht bin ich altmodisch“, sagte Mrs. Scorrier, „aber ich bin für strengste Pünktlichkeit. Ich kann jedoch gut verstehen, dass der arme Junge ein schwieriger Schützling für Sie sein musste. Sobald Sir Conway heimkommt, wird er sicher wissen, wie er mit ihm fertig wird.“
Darüber musste Venetia lachen. „Meine liebe Mrs. Scorrier, Sie sprechen, als wäre Aubrey noch ein Kind! Er wird bald siebzehn, und da er jahrelang mit sich selbst fertig wurde, wäre es ganz vergeblich, sich jetzt noch in seine Lebensweise einzumischen. Und um Conway Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, er würde das auch gar nicht versuchen.“
„Was das betrifft, Miss Lanyon, wage ich zu sagen, dass ich sehr erstaunt wäre, wenn Sir Conway es Aubrey erlaubte, Auftrag zu geben, dass ihm die Mahlzeiten auf dem Tablett serviert werden, ohne auch nur um die Erlaubnis dazu zu bitten, jetzt, da Undershaw eine Herrin hat. Das ist durchaus nicht das Wahre. Ich bin überzeugt, Sie verzeihen, wenn ich so offen spreche!“
„Gewiss, Ma’am, denn das erlaubt mir, selbst ein bisschen offen zu reden!“, antwortete Venetia prompt. „Ich bitte Sie, geben Sie jede Hoffnung auf, die Sie vielleicht hegen, Aubrey umzuerziehen. Weder Sie noch Ihre Tochter haben das geringste Recht, sich in seine Angelegenheiten zu mischen! Die gehen nur ihn etwas an, und in gewissem Grad mich.“
„Nein, wirklich? Ich scheine demnach seltsam schlecht informiert zu sein, denn ich hielt ihn für das Mündel Sir Conways!“
„Nein, Sie wurden nicht falsch informiert, aber Conway ist der Erste, der Ihnen sagen würde, Aubrey sei mir zu überlassen. Es ist nur recht und billig, wenn ich Sie warne, Ma’am, dass Conway Aubrey zwar wegen seines Gebrechens tief bemitleidet, aber eine geradezu alberne Ehrfurcht vor seiner geistigen Überlegenheit hegt. Ferner hat Conway zwar viele Fehler, aber er ist nicht nur äußerst gutmütig, sondern besitzt außerdem eine Ritterlichkeit, die es ihm unmöglich machen würde, unduldsam zu sein.
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