Venedig by Demski Eva

Venedig by Demski Eva

Autor:Demski, Eva [Demski, Eva]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: insel-verlag
veröffentlicht: 2015-05-25T16:00:00+00:00


Mit Giuseppe Verdi

Er heißt Campo San Fantin und war bis zu einer unglückseligen Januarnacht des Jahres 1996 ein Herzstück von Venedig, mein Lieblingsplatz, weil die klugen Vorfahren auf ihm alles zusammengefügt hatten, was der Mensch braucht: eine Kirche, eine Taverne, ein Hotel und die Oper. Die Heilige Vierfaltigkeit, eng aneinandergeschmiegt und von ein paar geheimnisvollen Kanonenkugeln bewacht, die in den Mauern steckten und deren Flugbahn man sich gar nicht vorstellen konnte – sie mußten um die Ecken gekommen sein, gemächlich wie Tauben herangeschwebt. Nie hat mir jemand sagen können, wer da wann auf wen geschossen hat, und es hat an dieser Ecke, die dem Menschen alles bot, was er braucht, auch nie jemanden interessiert.

Das Herz des Herzens, die Oper, das Teatro Fenice, ist abgebrannt, wenige Tage vor seiner Wiedereröffnung nach der Renovierung – warum, zum Teufel, nennen sie ein so schönes Theater ausgerechnet Phönix? Heißt das nicht die Götter versuchen? Und schon zweimal hatten sie es sich nicht verkneifen können, diese Götter, auszuprobieren, ob die Menschen den Vogel wieder aus der Asche steigen lassen würden. Nun taten sie es zum drittenmal, und die Asche war noch nicht kalt, als auf der ganzen Welt die Opernliebenden begannen, für den Phönix zu sammeln. So ist dies ein Nachruf voll Hoffnung.

Wie oft habe ich im Hotel Fenice daneben gewohnt und darüber gestaunt, wenn die Bühnentore über dem Kanal geöffnet wurden und die auf schmalen Booten herangebrachten Kulissen nach oben schwebten und in dem großen Tormaul verschwanden. Manchmal konnte man das Stück erkennen. Venedig hatte viel Platz für Musik, an diesem kleinen Platz schüttete man sie zusammen, und sie floß in breiten, goldenen Strömen aus der Höhe, wenn Bläserprobe war. Das heisere Orgelkeuchen hat nicht gestört, und die Klänge der eigenen Jugend aus der Taverne – das war doch Domenico Modugno, lebt der eigentlich noch? – störten auch nicht. Sie hatten im Fenice viel Modernes gewagt, und viele Interpreten und Schöpfer der Neuen Musik haben im Hotel Fenice et des Artistes gewohnt – aber Verdi siegt, und keiner widersetzt sich ihm, auch nicht der Rap aus den kleinen Recordern der Verkäuferinnen oder die Dutzende von armen Kanarienvögeln, die ihren Gefangenenchor in die Luft schreien.

Wohnte man in dem von Geistern überfüllten Hotel Fenice direkt neben dem Theater, wurde man von Musik umhüllt wie von einem üppigen, schweren Mantel, schon morgens beim Frühstück auf den kleinen Terrassen konnte man sich über die Disposition der Sängerinnen und Sänger kundig machen, hörst du? In Rom soll sie schon Schwierigkeiten gehabt haben.

Es gibt in keiner Stadt so viele Hotels, die zum Geschichtenfinden und -erfinden verführen wie in Venedig. Daß man sich ihnen demütig zu Fuß mit hinterdreingezogenem Gepäck zu nähern hat, gibt allem die richtige Würze. Der sich durchs Auto definierende Mensch – nackt ist er in dieser Stadt, wie Gott ihn schuf. Man kann sich im Gritti als Belle-Epoque-Millionärin empfinden, blasiert und müde, oder im Danieli wie ein japanischer Softwaretycoon oder eine Moderedakteurin. Drüben auf der Giudecca darf man sich als Verleger oder Illustriertenmacher fühlen und in den kleinen, verwunschenen Pensionen als Lyriker.



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