Unter Bruedern by Noah Berg

Unter Bruedern by Noah Berg

Autor:Noah Berg [Berg, Noah]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-18T00:00:00+00:00


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Am nächsten Morgen steigt Hendrik aus dem Bus und macht sich auf den Weg zum Sportunterricht. Die Sporthalle liegt etwas abseits der Schule und schon aus einiger Entfernung sieht er Andre und seine Lakaien rauchend und grölend vor der Tür zur Halle stehen.

Hendrik ist klar, dass er an ihnen vorbei muss, will er hinein.

Er denkt an das Gespräch mit Björn gestern Abend und wünscht sich augenblicklich zurück ins Bett seines großen Bruders. An den Ort, der Sicherheit und Geborgenheit für ihn bedeutet, anstatt jetzt hier sein zu müssen.

Hendrik verscheucht diesen Wunsch schnell wieder und versucht sich zu konzentrieren.

Er müsse Selbstbewusstsein und Lässigkeit in seinen Gang, ja in seine ganze Körperhaltung einfließen lassen, hat sein Bruder ihm geraten.

Während er weiter in Richtung Tür geht, versucht er den Rat seines Bruders umzusetzen.

Als er schließlich auf gleicher Höhe mit Andre und seinen Gefolgsleuten ist, ignoriert er diese so gut wie er es nur kann.

Den Blick geradeaus gerichtet und tatsächlich Haltung bewahrend, so empfindet er es zumindest, erhält er jedoch plötzlich einen harten Stoß von der Seite.

Während er unwillkürlich zwei schnelle, holprige Schritte zur Seite machen muss um den Stoß abzufangen, fragt er sich, was genau er falsch gemacht hat. Andre scheint sein „neues“ Auftreten nicht zu beeindrucken. Falls er es überhaupt bemerkt hat.

Sich wieder aufrichtend stellt Hendrik erschrocken fest, dass Andres Übergriffe eine neue Qualität erreicht haben.

Noch nie zuvor ist Andre ihn je körperlich angegangen.

Dieser macht gerade einen Schritt auf ihn zu.

Hendrik dreht sich zur Seite und sieht seinem Kontrahenten direkt in die Augen, so wie Björn es ihm geraten hat.

Es ist eine ungewohnte Situation für ihn. Er kann sich nicht erinnern, Andre schon einmal so direkt angesehen zu haben.

Auch dieser scheint für den Bruchteil einer Sekunde irritiert, bevor er ihn anfährt:

„Hey, Mamasöhnchen! Wollen doch mal sehen, was der Sportunterricht heute so für Dich an Überraschungen bereit hält!“

Mit Blick auf seine Kumpane fährt er feixend fort: „Will mir nicht nachsagen lassen, ich hätte ihn nicht gewarnt.“

Danach passiert alles irgendwie gleichzeitig.

Im Geiste sieht Hendrik den zerstörten Kopfhörer seines Walkmans auf dem Boden im Gang des Busses liegen. Und er sieht sich, wie er die Überbleibsel heulend und vor Gott und der Welt ein weiteres Mal bloßgestellt, aufsammelt. Er spürt wieder die Papierkügelchen, die seinen Kopf im Unterricht treffen.

All die Beleidigungen und Verunglimpfungen die Andre ihm je an den Kopf geworfen hat, scheinen sich mit einem Mal Bahn zu brechen und übermannen Hendrik regelrecht.

Gleichzeitig hallen Björns Worte in ihm wider.

Ohne weiter nachzudenken, ohne jegliches Zögern, stellt Hendrik seine Tasche auf den Boden und holt mit aller Kraft aus. Seine Faust, Daumen außen, so wie sein großer Bruder es ihm gezeigt hat, landet mit voller Wucht in Andres Gesicht.

Er sieht die Überraschung in dessen weit aufgerissenen Augen und gleichzeitig sieht er Blut aus Andres Nase schießen, das schnell dessen Kinn hinabläuft und Hals und T-Shirt besudelt.

Wie ferngesteuert holt Hendrik erneut aus und landet einen zweiten Treffer. Dieses Mal kracht es laut, ohrenbetäubend wie Hendrik findet, und ihm wird schlagartig klar, dass er soeben Andres Nase gebrochen haben muss.



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