Und Jimmy ging zum Regenbogen by Johannes Mario Simmel

Und Jimmy ging zum Regenbogen by Johannes Mario Simmel

Autor:Johannes Mario Simmel
Die sprache: de
Format: mobi
ISBN: 9783426404089
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2011-11-29T23:34:11+00:00


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Majestätisch und mitreißend ertönten die ›Fidelio‹-Trompeten.

Langsam wurde die Musik etwas leiser.

Eine Männerstimme erklang! »Die Freiheit marschiert!«

Laut jubelten die Trompeten auf.

Eine zweite Männerstimme: »Mit den Heeren der Verbündeten in Europa und Afrika!«

Weiter die Trompeten, gedämpft.

Die erste Stimme: »Mit den alliierten Fliegern am Himmel Deutschlands und Italiens!«

Trompeten.

Die zweite Männerstimme: »Mit den Millionen Unterdrückter, die auf ihre Stunde warten!«

Trompeten.

Die erste Stimme: »Mit den Heeren der Arbeiter, die aus freiem Willen ihre Waffen schmieden in der Alten und der Neuen Welt!«

Die zweite Stimme: »Die Freiheit marschiert!«

Begeisternd, das Herz bewegend, setzten nun wieder voll die Trompeten ein, die Musik der marschierenden Freiheit …

Die erste Männerstimme erklang, während die Trompeten etwas leiser wurden: »Und das ist das Ende unserer Radio-Wochenschau. Vergessen Sie nicht, wir kommen wieder nächste Woche um die gleiche Zeit. Hören Sie unseren Ruf …«

Die zweite Stimme: »Erwachendes Deutschland!«

Die erste Stimme: »Denken Sie daran …«

Die zweite Stimme: Es kommt der Tag!«

Die erste Stimme: »Denn England greift an – und mit uns die jungen Völker!«

Und da waren sie noch einmal, triumphierend, wunderbar: die jubelnden Trompeten …

Valerie Steinfeld lauschte mit einem glücklichen Lächeln. Die erste Männerstimme, die zuletzt noch einmal erklungen war, das war Pauls Stimme. Die Stimme Pauls! Sie hatte sie wiedergehört. Er sprach stets in dieser ›Radio-Wochenschau‹, die immer an Samstagen von der BBC ausgestrahlt wurde. Ja, auch in dieser Sendung hatte er gesprochen. Fast jeden Abend hörte Valerie seine Stimme. Er mußte einer der wichtigsten Sprecher sein, dachte Valerie, während sie den ›Minerva 405‹ abschaltete und die Wellenlänge des Reichssenders Wien einstellte, wonach sie endlich die schwere Decke abstreifte, die über sie und den Apparat gebreitet war. Wie immer hatte Valerie auch an diesem Abend eine fremde Stimme für die ihres Mannes gehalten, den sie, wenn er wirklich redete, niemals erkannte.

Jetzt stand sie von dem alten Sofa auf, öffnete die Tür des Kanonenofens und schüttete aus einem hohen, viereckigen Blechkübel kleine, graue Kohlestücke von minderer Qualität nach. Es gab nichts anderes mehr. Die schlechte Kohle brannte und wärmte, das war die Hauptsache. Wenn gute Kohle natürlich auch viel länger brannte und besser wärmte. Ein Funkenregen sprühte aus der Klappe. Der Ofen begann zu bullern. Valerie schloß die Metalltür und stellte den Kübel hin. Sie trug noch das braune Kostüm mit der breit wattierten Jacke, das sie am Vormittag bei Dr. Forster getragen hatte, und eine Bluse darunter. Aus dem Teekammerl trat sie in das erste Magazin hinaus und rief: »Martin! Jetzt kannst du kommen!«

Danach ging sie in den kleinen, vollgeräumten Raum zurück, in dem nur die grünbeschirmte Schreibtischlampe brannte, und hob einen Kessel, dessen Wasser zu kochen begonnen hatte, vom Gasrechaud. Sie brühte eine Kanne Tee auf und holte Tassen, Löffel und eine Flasche mit Weinbrandverschnitt aus dem Geschirrkästchen, das an der Wand hing.

Aus der Tiefe der Verliese tauchte Martin Landau auf, in Mantel und Hut, den Kragen hochgeschlagen. Er legte ab und rieb sich die Hände.

»Eine Saukälte hat es da hinten«, sagte er. »Tee, Gott sei Dank!«

»Muß noch einen Moment ziehen.«

Um halb sieben Uhr hatten sie das Geschäft geschlossen, alle Lichter im Laden gelöscht, die Tagesabrechnung gemacht.



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