Und Gott schuf Paris by Ulrich Wickert

Und Gott schuf Paris by Ulrich Wickert

Autor:Ulrich Wickert [Wickert, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455850932
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00


In diesem Milieu der Goutte-d’Or war Makome M’Bowole aufgewachsen, siebzehn Jahre war er alt, als ihn die Kugel aus der Pistole von Inspektor Pascal Compain tötete. In derselben Woche nahm die Polizei im südwest-französischen Arcachon den zweiunddreißig Jahre alten maghrebinischen Gastarbeiter Pascal Tais fest. Er starb mit eingeschlagener Schläfe, eine Wunde, die er sich nach Angaben der Polizei angeblich selbst beigebracht hatte. Es war am selben Tag, als die Polizei in Wattrelos, im Norden Frankreichs, den siebzehnjährigen Rachid Ardjouni jagte, der sich mit einem gestohlenen Wagen dem Rodeo-Spiel hingab, bis ein Polizist das Feuer eröffnete und ihm in den Rücken schoß. Zwei Tage später starb Ardjouni, und wie damals in Vaux-en-Velin brannten wieder die Geschäfte, randalierten und plünderten aufgebrachte Jugendliche.

Als sich in der Goutte-d’Or der Tod von Makome herumgesprochen hatte, wurde für den nächsten Nachmittag ein Protestzug geplant. Deshalb wurde der Bus, der den achtzehnjährigen Salim Hadjedj zu einem Rendezvous auf die Champs-Élysées bringen sollte, vor dem Rathaus des 18. Arrondissements umgeleitet. Es war kurz vor sechs Uhr abends, die Demonstration hatte gerade angefangen, und Salim Hadjedj stieg aus. Neben ihm stand ein junger, gutaussehender Franzose mit blauen Augen, in sportlicher Kleidung, zu dem Salim sagte, an seiner Stelle würde er abhauen, sonst könnte er was abkriegen. Und Salim selbst drehte sich um und rannte los. Plötzlich wurde er von hinten gefaßt, jemand drehte seine Arme um und legte ihm Handschellen an. Es war der junge Franzose mit einem zweiten Polizisten in Zivil. Salim wird geknufft, einer raunzt ihn an: »Scheiß Jude. Warum hast du denn nicht dein Ding auf dem Kopf?« Auf dem Kommissariat will man nur wissen, ob er schon volljährig sei; als er es bestätigt, ist die Freude groß. »Dann können wir ja loslegen.« Er soll »Heil Hitler!« rufen, doch er sagt, er sei Araber. Da wird ihm erklärt, Hitler habe wenigstens was im Kopf gehabt. Salim wird immer wieder geschlagen. Nachts kommt er ins Krankenhaus, erhält ein paar Pillen, es sei ja nichts Schlimmes, und landet schließlich auf dem Kommissariat der Goutte-d’Or. Dort reißt man ihm das goldene Halskettchen ab und den kleinen diamantenen Ohrschmuck, den ihm sein Onkel geschenkt hat.

Derweil suchen seine Eltern, die schon seit sechsunddreißig Jahren in Frankreich arbeiten, die ganze Nacht über nach ihm. Die Mutter macht sich Sorgen, er werde seine Abiturarbeiten verpassen. In dieser Nacht kommen ihr wieder die Ängste hoch, die sie seit der Nacht vom 17. Oktober 1961 mit dem spurlosen Verschwinden von Arabern in Paris verbindet. Davon zu reden ist in der französischen Gesellschaft ein Tabu, und nur einige kritische Zeitungen wärmen alle paar Jahre, wenn diese Nacht sich jährt, die Sache mit den Noyés de la Seine, den Ertrunkenen von der Seine, wieder auf.

1961 herrschte noch der Kolonialkrieg in Algerien, und am Abend des 17. Oktober strömten Tausende von Algeriern zu einer Demonstration, die Polizeipräfekt Maurice Papon verboten hatte. Zehntausende zogen friedlich über die großen Boulevards und bekannten sich zu einem »algerischen« Algerien. Es war die Zeit der Verhandlungen von Evian, wo Frankreich mit Algerien über



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