... und die beste Ehefrau von allen by Langen Müller

... und die beste Ehefrau von allen by Langen Müller

Autor:Langen Müller
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7844-8104-3
Herausgeber: Langen Müller
veröffentlicht: 2014-10-20T00:00:00+00:00


So wurden wir von dem großen Zippverschluß niedergerungen. Ich habe schon immer die These vertreten, daß die Menge von Kleidern, die einer Frau zur Verfügung steht, in einem genau ausgewogenen Verhältnis zur Zeit steht, die sie ihren Gatten warten läßt. Je mehr, desto mehr.

Was Wunder also, daß ich einen aussichtslosen Kampf gegen die Zuwachsrate im Kleiderschrank meiner Frau führe. Doch all meine Bemühungen fallen in sich zusammen angesichts des altehrwürdigen femininen Dogmas, demzufolge man a) niemals dasselbe Kleid zweimal in ein und derselben Gesellschaft tragen darf und b) schon gar nicht ein Kleid, das auch nur im entferntesten dem eines anderen weiblichen Wesens ähnlich wäre, möge sie in der Hölle braten.

»Sag mir«, frage ich die beste Ehefrau von allen, »ich flehe dich an, sag mir doch, wie viele Kleider, um Gottes willen, braucht eine Frau?«

Sie blickt mir kalt ins Auge und sagt: »Du weißt ganz genau, daß das nicht von mir abhängt, Ephraim, sondern von den Umständen.«

Das soll heißen, daß jeder Umstand ein eigenes Kleid erfordert. Sonst ist es kein Umstand.

Eine entwaffnende Theorie, wie ich zugeben muß, wenn wir davon absehen wollen, daß sie sich im Lauf der Zeit in ihr Gegenteil verkehrt hat: Zunächst einmal kauft man eine umwerfende Bleu-d‘Azur-Seidenrobe, und dann sucht man nach einer passenden Gelegenheit, um sie zu tragen.

Das Ergebnis? Wann immer die beste Ehefrau von allen strahlend aus ihrer Lieblingsboutique heimkommt, muß ich damit rechnen, zur nächstbesten langweiligen Party gehen zu müssen, damit sie ihre neueste Eroberung amortisieren kann.

Das eben erwähnte d‘Azur-Dilemma zum Beispiel sollte sein Debüt beim Eröffnungskonzert der israelischen Philharmonie haben. Was aber tut Gott in seiner Freizeit? An jenem Abend der als musikalisches Ereignis getarnten Modenschau versorgt er mein Weib mit einem Hexenschuß, der sie temporär zu einer Salzsäule unter Hausarrest erstarren läßt. Obendrein setzt er die Gesundheitskette außer Betrieb.

»Das ist wirklich unfair«, klagte sie tränenden Auges, »ich hätte so gern mein neues Bleu d‘Azur hergezeigt.«

»Ich habe einen Vorschlag«, schlage ich vor. »Wie wär‘s, wenn ich allein ins Konzert ginge und dein Kleid am Kleiderhaken mitnähme? In der Pause könnte ich damit im Foyer auf und ab gehen. Wenn ich es hoch über den Kopf halte, könnten es noch viel mehr Leute sehen, als wenn du es anhättest.«

»Sehr witzig!« Die beste Ehefrau von allen war zutiefst verletzt. Sie hätte mir auch sicher eine kalte Schulter zugewandt, wenn der Hexenschuß es zugelassen hätte. Von Rachlust besessen ging sie tags darauf hin und kaufte sich einen umwerfenden Schlangenledergürtel und ein Paar italienische Schuhe, made in Belgium, im Farbton genau zum Côte d‘Azur passend. Vermutlich in Erwartung der nächsten philharmonischen Saison. Sie teilte mir auch mit, daß sie sich von mir als nächste Geburtstagsüberraschung einen ärmellosen Bolero für das noch jungfräuliche Kleid erhoffe. Der einzige Bolero, den ich bis zu diesem Zeitpunkt bei einem Konzert akzeptiert hatte, war der von Ravel.

Ich entwarf daher eine höchst subtile Strategie. Ich nahm den Kopf meiner Frau zärtlich in meine Hände und blickte ihr tief in die braunen Augen.

»Mein Kind«, sprach ich. »Wenn du einen Bolero willst, wirst du selbstverständlich einen Bolero bekommen.



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