Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen by James Krüss

Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen by James Krüss

Autor:James Krüss [Krüss, James]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783862744268
Herausgeber: Oetinger E-Books
veröffentlicht: 2013-10-31T16:00:00+00:00


Timm hatte sich unbewusst ebenfalls in seinem Stuhl zurückgelehnt. Es war für ihn so beruhigend, jemanden über den Baron lachen und spotten zu hören. Zum ersten Mal seit langer Zeit hörte er wieder ein Lachen, das ihm angenehm war.

Bei Jonnys spöttischer Beschwörung hatte Timm den Blick gesenkt. Er schaute auf den Holzfußboden und sah dort plötzlich eine ungeheuer fette Ratte, die ein satanisch hohes Pfeifen ausstieß und furchtlos auf Jonnys Beine zulief, als wolle sie ihn beißen.

Timm, den es vor Ratten ekelte, schrie: »Eine Ratte, Steuermann!«

Aber auch Jonny hatte das Tier gesehen. Er handelte unwahrscheinlich schnell und geistesgegenwärtig. Während er das eine Bein, auf das die Ratte es anscheinend abgesehen hatte, zurückzog, hob er das andere blitzschnell und zerquetschte der Ratte mit einem kräftigen Fußtritt den Kopf. Was auf den Bodenbrettern liegen blieb, war so hässlich und ekelhaft, dass Timm rasch wegsah. Ihm war übel.

Jonny aber, der unverwüstliche Jonny, sagte grinsend: »Der Herr schickt seine Boten vor. Trink vom Wein, Timm, und sieh nicht hin!«

Diesmal nahm der Junge einen tiefen Schluck aus dem Glas, der fast unmittelbar wirkte. Die Übelkeit ließ nach; aber in seinem Kopf begann sich langsam eine Mühle zu drehen.

Jonny sagte jetzt: »Wir haben nicht mehr viel Zeit, Timm. Bald wird er selbst erscheinen. Lass dir eines sagen: Woran du nicht glaubst, das gibt es nicht. Verstehst du, was ich meine?«

Timm schüttelte verständnislos den Kopf, in dem das Mühlrad immer schneller kreiste.

»Ich will damit sagen«, erklärte Jonny, »dass du immer wieder Kronleuchter zerdeppern solltest, wenn der Baron dir auf die Nerven geht. Kapiert?«

Jetzt nickte Timm. Aber er erfasste nur halb, was Jonny sagte. Die Augenlider wurden ihm schwer; denn er hatte schon im Palazzo Candido Wein trinken müssen und er war an Alkohol nicht gewöhnt.

»Wenn du kannst, lach den Affen aus«, fuhr Jonny fort. »Du erbst genug, um dir die Freiheit nach außen zu erkaufen; aber die Freiheit nach innen, mein Junge, die erkaufst du dir durch ein anderes Kapital: durch Lachen. Es gibt ein altes englisches Sprichwort. Es heißt . . .«

Der Steuermann runzelte die Stirn.

»Merkwürdig«, brummte er. »Eben wusste ich den Spruch noch und jetzt ist er mir entfallen. Dabei liegt er mir auf der Zunge. Scheint am Wein zu liegen.«

»Mir bekommt der Wein auch nicht«, sagte Timm mit schwerer Zunge. Aber Jonny achtete kaum auf Timms Bemerkung. Er grübelte immer noch über den Satz nach und plötzlich rief er: »Jetzt hab ich ihn: Teach me laughter, save my soul! Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin!« Er lachte über seine eigene Vergesslichkeit, schlug sich dabei an die Stirn und sank mit einem Male, immer noch lachend, vom Stuhl zu Boden, wo er regungslos und mit bleich gewordenem Gesicht unweit der toten Ratte liegen blieb.

Als Timm, mit einem Schlag ernüchtert, aufsprang und sich erschrocken nach Hilfe umsah, fiel sein Blick auf den Kellner, der gleichmütig herüberschaute. Er nahm gerade von einem Herrn einen Geldschein entgegen. Dieser Herr hatte Timm den Rücken zugekehrt; aber dennoch erkannte der Junge ihn auf den ersten Blick. Es war der Baron.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.