Studentenbeichten : Zweite Reihe by Otto Julius Bierbaum

Studentenbeichten : Zweite Reihe by Otto Julius Bierbaum

Autor:Otto Julius Bierbaum [Bierbaum, Otto Julius]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählungen
Herausgeber: Schuster & Loeffler
veröffentlicht: 1896-12-31T22:00:00+00:00


So so, dachte ich mir, Theologe und verliebt dazu, – der arme Kerl! Im Übrigen verachtete ich ihn, daß er dem Grafen einen Dankbrief geschrieben hatte. Im ersten Semester ist man ein sehr entschiedener Herr.

Dann habe ich Leberecht eine ganze Weile aus den Augen verloren, denn ich mußte eine dunkelrote Mütze tragen und sehr häufig auf dem Mensurcrux stehen. Hatte auch viel mit mancherlei Mädchen zu thun, die mir interessanter waren als Leberecht.

So würde ich kaum in der Lage sein, über seine weitere Entwickelung zu berichten, wenn ich ihn nicht doch in bestimmten Zwischenräumen während der Ferien immer wieder gesehen hätte.

Das erste Mal traf ich ihn als einen stillen Menschen von allzu deutlich betonter Bescheidenheit an, der zwar, das merkte man gleich, in unbehaglichen Verhältnissen lebte, für den es aber eine seelische Zuflucht gab, die ihn immer wieder aufrichtete. Nicht zur Fröhlichkeit zwar, aber doch zu einer trostvollen Hoffnung.

– Na, hast du die Trennung von den braven Griechen und Römern glücklich verwunden? fragte ich ihn in meinem damaligen Fuchsentone, den ich sehr forsch fand, gleich beim ersten Wiedersehen.

– Ach, bitte, antwortete er, laß das. Ich denke nicht mehr daran, weil ich nicht mehr daran denken darf. Ich studiere Theologie und suche das Andere zu vergessen. Es geht schon. Übrigens ist das Hebräische wirklich sehr interessant.

– Na also! Die alten Juden waren auch nicht von Pappe, und ob man nun Zeus sagt oder Jahveh, es kommt immer auf dieselbe Couleur hinaus.

– Ich bitte dich, sprich nicht in diesem Tone. Da ich nun doch Theologe bin, darf ich so mich nicht unterhalten.

– Ach so, du bist auch gleich fromm geworden? Muß das denn sein? Aber bon, ich will deine Fakultätsbedenken respektieren. Reden wir also nicht vom Gotte der alten Juden! Wie gehts dir denn sonst?

– Wie soll mirs gehen? Ich ducke mich und sage sehr oft: meinen herzlichsten Dank!

– Wieso?

– Mein Gott, ich lebe doch von anderer Leute Gnade.

– Ach so, der Graf . . .

– Nicht blos der. Den sehe ich wenigstens nicht, und er hat sich ausdrücklich alle Dankesbezeugung von mir verbeten. Blos immer zu Neujahr muß ich ihm schreiben. Das ist leicht. Aber sonst . . . .

In seinen Augen war ein unangenehmes Irren, wie wenn er Jemand voll Haß suchte. So ein verbitterter Sklavenblick.

Ich drang in ihn, mir zu erzählen, worunter er denn so litte.

Und er erzählte mir. Es war keine Leidenschaft, kein Aufbäumen in Ton und Wort, aber eine tiefe Erbitterung in seiner Rede. Ich sah, dieser Mensch leidet stumm und denkt an Rache, ohne es klar zu wissen. Er läßt sich treten und wagt nicht einmal auszuweichen, aber er ist keiner von denen, die unempfindlich gegen Demütigungen sind. Nur fehlt es ihm an Temperament und Kraft, auszubrechen aus dem Käfig. Er fühlt seine Kraftlosigkeit und hat nur den einen Trost: später, später!

Es war die jämmerliche Tragödie des Freitisches. Mir erscheint es nicht zweifelhaft, daß das, was er so tragisch empfand, für andere nur komisch gewesen wäre, für andere, die ein bischen Humor, starke Selbstzuversicht, eigene Freiheit und Frische in sich haben. Aber es war nun eben so, daß Leberecht diese Eigenschaften nicht besaß.



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