Stefan Zweigs brennendes Geheimnis by Ulrich Weinzierl

Stefan Zweigs brennendes Geheimnis by Ulrich Weinzierl

Autor:Ulrich Weinzierl [Weinzierl, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783552057586
Herausgeber: Paul Zsolnay Verlag Wien 2015
veröffentlicht: 2015-09-28T16:00:00+00:00


Brennendes Geheimnis

Stefan Zweig mit einem seiner »vertrautesten Freunde« in Wien, dem Schriftsteller und Kunsthistoriker Benno Geiger (1882–1965). (aus dem Band »Stefan Zweig. Bilder, Texte, Dokumente«, Residenz Verlag Salzburg 1993.)

Auch ein Nachruf – Thomas Mann an seine Gönnerin Agnes E. Meyer am 25. Februar 1942: »Der Selbstmord Stefan Zweigs in Brasilien ist rätselhaft. Er war sorgenfrei und erfolgreich, für politischen Gram war er zu charakterlos, und sein nachgelassenes Papier erklärt gar nichts. Ich vermute, dass das liebe Geschlecht im Spiele war und dass irgend ein Skandal drohte. Er war gefährdet in dieser Beziehung.«1 Im Briefwechsel mit seiner »lieben Freundin« Meyer, der »Fürstin«, der mächtigen und schwerreichen Mitbesitzerin der Washington Post, die ihm das Leben in den USA finanziell ungemein erleichtert hat, war das »liebe Geschlecht« zum Kummer Thomas Manns ebenfalls mit »im Spiele«. Hartnäckig versucht sie ihn von seiner »Misogynie« zu erlösen, möchte sich auch in ihren fraulichen Reizen gewürdigt wissen. Anders als der fromme Paul Claudel, der ihrem Werben erlag, bleibt Thomas Mann standhaft. Mit dem Weiblichen hat er endgültig abgeschlossen, sein erotisches Ideal ist längst der »göttliche Jüngling«.

Thomas Manns Beziehung zu Zweig, mit dem er huldvoll freundlich korrespondierte2, man schenkte einander immerhin Autographen (tausche neun Seiten Mann gegen eine Seite Goethe), ist insgeheim von einer gewissen Verachtung bestimmt. Manns Gedenkworte für den Aufbau sind dürr3, an einer von Victor Wittkowski geplanten Zweig-Gedenkschrift will er sich nicht beteiligen und bittet Gottfried Bermann Fischer, auch Zweigs Verleger, dies Wittkowski schonend beizubringen: »Mein Verhältnis zu Zweigs Produktion hätte mich niemals in den Stand gesetzt, einen lobpreisenden Artikel über ihn zu schreiben.«4 Friderike, schon im Vollbesitz ihrer dem Doppelselbstmord verdankten Witwenschaft, ist von Manns Reserviertheit schwer enttäuscht, äußert sich auch in diesem Sinne dessen Tochter Erika gegenüber.5 Thomas Mann reagiert mit einer längeren, höflichen, etwas gewundenen Epistel, worin er seine Zurückhaltung politisch begründet – der Selbstmord eines der prominentesten Emigranten sei ein weiterer Triumph für die Nazis: »War er sich keiner Verpflichtung bewußt gegen die Hunderttausende, unter denen sein Name groß war, und auf die seine Abdankung tief deprimierend wirken musste? […] Betrachtete er sein Leben als reine Privatsache und sagte einfach: ›Ich leide zu sehr. Sehet ihr zu. Ich gehe.‹«6 Aber es ist noch etwas anderes, was seinen Enthusiasmus dämpft – er glaubte, um Zweigs Gefährdung durch das »liebe Geschlecht« zu wissen, und zwar in einer anrüchigen Sphäre. In einem Schreiben an den Berliner Arzt Paul Orlowski, der ihm ein Manuskript über Goethes Bisexualität zukommen ließ, sinniert Thomas Mann Anfang 1954 ausgiebig über das »Rätsel des Geschlechtlichen«. Dass er dabei die eigenen erotischen Vorlieben in mildes, verzeihendes Licht taucht, versteht sich von selbst: »Wirklich ›homosexuell‹ wäre doch nur die Liebe eines bärtigen Vollmannes zum anderen, während die Knaben- und Jünglingsverehrung des Mannes offenbar nur eine leichte Abwandlung des Heterosexuellen ist.«7 Wer unbedingt will, kann es auch so deuten. Und dann führt der Weg vom Allgemeinen ins Besondere: »Die Welt ist voll von aus dem Bürgerlichen fallenden und genialisch-merkwürdigen Begabungen, deren kulturelle oder auch nur amüsante Darbietungen die Bürgerlichkeit naiv genießt und applaudiert, während sie aus sexueller ›Abwegigkeit‹ kommen.



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