Marlene Dietrich by Franz Hessel

Marlene Dietrich by Franz Hessel

Autor:Franz Hessel [Hessel, Franz]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00


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Den andern Film, Marokko, der sie zu dem Star von Amerika gemacht und damit ihren Weltruhm begründet hat, habe ich im Vorführungsraum der Parufamet gesehen und – zögere noch, von ihm zu sprechen. Die erste übersehbare Epoche von Marlene Dietrichs Kunst konnte ich notieren, die erste Epoche ihrer Schönheit, die noch manche Kindheit und Reife durchmachen wird, in andeutenden Umrissen aufzeichnen. Mit ihrer Erscheinung in Marokko aber scheint etwas ganz Neues zu beginnen. Es ist, als ob ein starr lächelndes, unwandelbar scheinendes Idol sich belebt. Nun bleibt mit einmal das Auge, das durch Spiegel und Menschen ins Unbekannte sah, auf einem Gesicht gefesselt haften, und Menschenleid zeichnet die Züge neu.

In ihrem Blick und Leib erleben wir, wie zum erstenmal, die Liebe. Nicht den pathetischen oder larmoyanten »Blitzschlag«, nein, den quälenden seligen Übergang von Sinnenneugier und Kampflust zur hingerissenen Verfallenheit. Wir sehen, wie eine Starke, die sich sträubt gegen den Allsieger Eros, schwach wird, sehen die Niederlage der Siegerin. Marlene Dietrich ist in diesem Film eine französische Chansonette, die nach Marokko kommt, wo ein reicher und eleganter Lebemann (Adolphe Menjou) ihr ein leichtes, luxuriöses Leben bietet. Sie aber nach langem Kampf folgt mit demütigen Beduinenweibern dem Regiment der Legionäre, das durch die Sahara zieht, in Armut und Abenteuer. Denn unter den Soldaten marschiert der freche und franke Bursche, der ihr weder Reichtum noch Zartgefühl zu geben hat, der immer aufs neue erobert werden muß (Gary Cooper).

Das neue Meisterwerk Sternbergs umrandet das Kind des Nordens mit grellem Licht, läßt es durch scharfe Schatten gleiten, an südliche Pracht arabischen Mauerwerks und ins steinerne Dunkel fremder Gassen tasten. Der Mann taucht auf, den sie noch nicht erlebt hat, der Landsknecht, dem Lieben ein Abenteuer ist wie Töten. Da wird aus der trotzig frivolen Chansonette, die im koketten Frack vor das Publikum tritt und ihrem Zylinder mit einem Fingerstups schiefe Verwegenheit gibt, aus der Verwöhnten, die ein Gelegenheitsabenteuer mit einem Kerl von Soldaten verlockt, das arme Weib, das fortläuft aus hellem Saal, dem Liebsten nachzuspähen und im Elend genug Widerstand zu finden für das brandende Herz.

In ganz leisen Veränderungen ihres Gesichtes spielt sich das Drama dieser Liebe ab. Wunderbar deutlich werden Momente des Zauderns, wie der, als sie, noch Verführerin und schon Verführte, ihr gewohntes Lächeln noch weiter lächelnd, neben ihm steht und vor sich hinschaut. Der Korb mit den Äpfeln, den sie eben noch frech gelassen allen hinhielt, hängt schlaff, wie vergessen an ihrem Arm, die Augen, eben noch etwas gekniffen, werden starr und groß, die Schultern unterdrücken ein Zittern. Noch wählt sie leidend zwischen ihren Möglichkeiten.

Und dann kommen von Szene zu Szene neue Verschleierungen und Offenbarungen ihres Blicks: beobachtender Trotz, Erschrecken vor der eignen Leidenschaft, Angstfreude am Heldischen, hilflose Hingabe. Zuletzt aber sehen wir nicht mehr, brauchen wir nicht mehr ihr Gesicht zu sehen, es liegt alles Schicksal in ihrer abgewandten Gestalt, wenn sie durch den Sandsturm den andern Frauen, die mit ihren Ziegen und Bündeln dem Regiment folgen, nacheilt und, indem sie sie erreicht, eine von ihnen, ihresgleichen wird. Die



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