Bürger Grass by Jürgs Michael

Bürger Grass by Jürgs Michael

Autor:Jürgs, Michael [Jürgs, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2015-05-14T16:00:00+00:00


Maria Ramas Aufnahme einer ungewöhnlichen Familie: Anna und Günter Grass mit den Zwillingen Raoul und Franz, Tochter Laura und Bruno, dem Jüngsten, auf dem Hof in der Niedstraße 13.

© Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin/Günter Grass Archiv/Sammlung Maria Rama

Wichtiger waren die Auftritte von Grass nach der turbulenten Tagung in der Pulvermühle, deren revolutionäre Einzelheiten er Uwe Johnson erspart, denn darüber stünde alles in den Zeitungen und auch das Treffen mit Paul Celan auf der Buchmesse erwähnte er nur knapp – »ängstlich, steif, beinahe monumental hielt er sich an seinem Glas fest und wollte seiner eigenen Anwesenheit in Frankfurt nicht trauen«. In weiteren Sendungen nach »Panorama« hatte er erneut »einiges über die Springer-Presse und ihre Methoden gesagt« und nun sammle er die Strafanzeigen von Redakteuren der »Bild«-Zeitung und von »Bild am Sonntag«. Johnson wünschte Glück in »Deinem Prozess mit Springer«. Auf das Argument, ein Wort wie faschistisch dürfe nur historisch verwendet werden, riet er, die Praktiken des »Völkischen Beobachters« zu beleuchten, und zwar vor 1933.

Grass hatte sich längst auf den Prozess nicht nur eingerichtet, er freute sich darauf. Er werde den Wahrheitsbeweis dafür erbringen, erklärte er, natürlich öffentlich, dass faschistische Methoden kein Schimpfwort seien, sondern eine sachgemäße Bezeichnung. Der Prozess fand nie statt, verlief im Sande. Untergehend im Lärm der beginnenden Straßenschlachten, zogen die in ihrer kollektiven Ehre verletzten Redakteure ihre Anzeige gegen Grass zurück, wie es heißt, auf Anweisung von Axel Springer. Aber erst am dreiundzwanzigsten Oktober 1969 wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Hamburg eingestellt.

In der Konfrontation zwischen den Studenten, die der großen Koalition blinde Vasallentreue gegenüber den amerikanischen Verbündeten und deren »verbrecherischem Krieg in Vietnam« vorwarfen, hatten sich Springers Zeitungen, vor allem »Bild«, schlagzeilend auf die Seite der Attackierten gestellt. Das Wort Schlagzeile bekam eine Bedeutung mit Aufforderungscharakter: Schlagt sie auf den Kopf, diese Revoluzzer, diese Langhaarigen. Knüppel frei. Hass erzeugte Terror. Straßenschlachten in Berlin und anderen deutschen Städten gehören im Jahr des Aufbruchs zum Alltag. Vorläufer, Mitläufer, Nachläufer werden als die 68er-Generation in die Geschichtsbücher eingehen. Als Generation aber gab es sie so wenig wie nachfolgend die Generation X.

Gegen diese Typen hetzt der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz im Einklang mit der herrschenden Presse und seiner sozialdemokratisch miefigen Partei während einer Kundgebung mit erst schweigender, dann brüllender und schließlich auf alle anders Aussehenden prügelnder Mehrheit vor dem Schöneberger Rathaus. Pogromstimmung in Berlin, stellt Grass in einem Aufruf fest, den über hundert Schriftsteller, Intendanten, Schauspieler, Künstler unterschreiben, und verlangt in seiner Ohnmacht sogar, Brandt möge zurückkehren, um die Stadt vor diesem regierenden Typen zu retten. »Lieber Willy Brandt«, hatte er noch kurz vor der Schau »Freiheit und Frieden« gewarnt, »Schütz darf nicht die Straße gegen die Straße mobilisieren… Die SPD muß die Unruhe der Jugend über die Vorgänge in Vietnam von Stund an ganz ernst nehmen…«

Er wirft Schütz vor, zur Treibjagd auf Menschen aufgerufen zu haben. Auch die von der anderen Seite sind ihm nicht geheuer. Deren Terror gegen Andersdenkende gefällt ihm genauso wenig. Im überfüllten Auditorium lässt er sich deshalb nicht feiern wegen seiner Attacke auf Schütz,



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