Statt etwas oder Der letzte Rank by Martin Walser
Autor:Martin Walser [Walser, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644001022
Herausgeber: Rowohlt E-Book
33
Es war einmal. Die Vögel gaben sich aufgeregt. Die Amseln so schrill wie noch nie. Ganze Schwärme Spatzen stürmten die Terrassen und pickten den Leuten das Frühstück weg. Die Leute, immer bereit, Zeichen und Wunder zu erleben, lieÃenâs geschehen und telefoniertenâs herum.
Ich hisste mich noch schnell wie eine Fahne. Dann hin zum Königsplatz.
Ich unterzeichnete den Friedensvertrag mit dem Erzfeind. Als ich durch die Halle hinausging, stellte er mir ein Bein. Stürzend griff ich nach ihm. Er fing mich auf, lachte und sagte, er sei immer bereit, mir zu helfen. Besonders, wenn ich zugäbe, dass ich seine Hilfe bräuchte.
Da war er wieder, der Ãberlegene, der er immer war. Und ich der Hilfsbedürftige.
Jetzt SIE. DrauÃen. Am Fuà der Freitreppe. Und kam schon herauf. Ich weiÃ, dass ich, wenn ich eine Treppe abwärtsgehe, nicht gut aussehe, also blieb ich stehen und sah ihr zu, wie mühelos und nichts demonstrieren wollend sie heraufkam. Ihre zarten Knie führten ihren Gang an. Stufe für Stufe.
Dann war sie da. Ich nahm ihren Arm an und ging, ohne zu schwanken, mit ihr hinab.
Nur weg von hier! Der Erzfeind! Er hatte die Unterzeichnung extra in dieser pompösen Kulisse stattfinden lassen. Als wären wir zwei Staatsmänner.
Sobald wir in eine zivilere StraÃe eingebogen waren, machte ich halt. Ich musste sie endlich anschauen. Sie in dem Kleid, das mir das liebste ist. Von Grün ins Silber gleiÃend. Immer wenn sie in diesem sie genau fassenden Kleid ist, heiÃt sie Elvira. Und immer wenn sie Elvira heiÃt, heiÃe ich Otto.
Es war einmal.
Ich sagte ⦠Ich habe wahrscheinlich gesagt, dass wir in den Wald gehen sollten. Leider ist es unwichtig, was ich gesagt habe. Seit sie weiÃ, dass ich nicht Bundespräsident werden will, findet sie alles, was ich sage, nicht mehr so wichtig.
Aber wir kamen nicht bis zum Wald. Freunde versperrten uns den Weg. Die Freunde, er ein Arzt, sie eine Ãrztin, wollten mit uns essen und trinken.
Wir brauchen weder Hunger noch Durst, sagte die Ãrztin.
Ich fragte sie, ob man das Kleid, das ihr so gut stehe, grün oder silbern nennen sollte.
Nennâs einen Farbschrei namens Silbergrün, sagte sie übermütig.
Und zu ihm: Otto, los, zeig uns endlich, woâs langgeht!
Und er: Liebe Elvira, hetz mich bitte nicht.
Die winzige Verstimmung beendeten sie mit einem Kuss.
Das wurde der Kuss, den ich Silvesterkuss nenne. Ihre Zunge ganz in seinem Mund. Da drin aber reglos. Es gab offenbar keinen Grund, ihre Zunge je wieder aus seinem Mund herauszuziehen.
Es war einmal.
Ich hatte nie mehrere Freunde zur gleichen Zeit. Es wäre mir komisch vorgekommen, wenn ich neben meinem jeweiligen Freund noch einen anderen als Freund hätte haben sollen. Mein Freund war mir immer mein Ein und Alles. Darum hieà ich immer so, wie der Freund hieÃ. Kein Wunder, dass Elvira dann hieà wie die Freundin meines Freundes.
Es war einmal.
Ich wollte immer in Beziehungen leben, die vollkommen sind oder doch zu sein schienen. Nein, die vollkommen sind! Die ganze Welt ein einziges Wunscherfüllungsgelände.
Otto und Elvira waren zwar überrascht, als sie erlebten, dass wir sehr schnell auch Otto und Elvira hieÃen. Aber sie waren angenehm überrascht.
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