Stalin. Eine Biographie by Klaus Kellmann

Stalin. Eine Biographie by Klaus Kellmann

Autor:Klaus Kellmann [Kellmann, Klaus]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Biografien & Erinnerungen, Geschichte, Nach Ländern & Kontinenten, Russland, Politik, Wirtschaft, Fachbücher, Geschichtswissenschaft, Staatenwelt, Europa, Politik & Geschichte, Geschichte nach Ländern, Gesellschaft
ISBN: 9783896782656
Google: ERhpAAAAMAAJ
Herausgeber: Primus
veröffentlicht: 2005-03-14T23:00:00+00:00


Ein Befehl zur Durchführung dieses Plans ist niemals erteilt worden, im Gegenteil, Stalin war so empört, dass er es verbot, hierüber auch nur Gespräche zu führen. An der Grenze selbst durften nur Maßnahmen defensiven Charakters durchgeführt werden. Es blieb oberstes Gebot, Hitler und die Deutschen nicht zu reizen, denn das hätte ja Krieg bedeutet. Deshalb war Stalins gesamtes Vorgehen im Frühjahr und Frühsommer 1941 in der Tat „eine verfehlte Strategie für alle Fälle“.66 Von den Operationsplänen, die er sich nach dem 15. Mai noch vorlegen ließ, ist mit Recht gesagt worden, dass sie für den falschen Krieg entwickelt worden seien, nämlich für den von 1914. Andererseits besteht auch die Verpflichtung, den selbst auferlegten und im Nachhinein so selbstzerstörerischen Immobilismus Stalins zu durchdenken, der bei der Vorlage des Plans ausrief: „Seid ihr denn verrückt, wollt ihr etwa die Deutschen provozieren?“67 Er hatte die Wehrmachtserfolge auf der einen und den Zustand der Roten Armee auf der anderen Seite klar vor Augen, er sah, dass Hitler fast ganz Europa beherrschte und mächtige Verbündete hatte, er selbst hingegen nur einen, nämlich Deutschland. Wenn man die potenziellen Verbündeten Großbritannien und die Vereinigten Staaten nicht verprellen wollte, konnte man nicht als Aggressor und Kriegsbrandstifter dastehen. Er war Gefangener des Paktes, den er 1939 abgeschlossen hatte, und hielt deshalb an der Illusion fest, den Friedenszustand erhalten zu können.

Zwei Tage nach Heß’ Flug gestattete er widerwillig, dass die westlichen Militärbezirke mit 800.000 Mann aus dem Binnenland verstärkt |186|werden. Die Verlegungen hatten nachts zu erfolgen, damit die Bevölkerung nichts merkte. Als Schukow und Timoschenko abermals darauf bestanden, ihre Truppen in Gefechtsbereitschaft zu versetzen, schrie er sie an: „(...) ich bin sicher, dass Hitler es nicht riskieren wird, durch einen Angriff auf die Sowjetunion eine zweite Front zu eröffnen. Hitler ist kein solcher Idiot (...) Schlagen Sie vor, die Mobilmachung im Lande auszurufen, die Truppen jetzt zu alarmieren und an die Westgrenze zu schicken? Das bedeutet Krieg!“68

Zwischenzeitlich hatte er sich mit der Nachrichtenagentur TASS in Verbindung gesetzt und ihr eine Meldung diktiert, in der alle westlichen Meldungen über einen drohenden deutschen oder sowjetischen Angriff als „völlig grundlos“, „erlogen und provokatorisch“69 zurückgewiesen wurden. Sie erschien am 14. Juni und war Stalins letzte Karte, mit der er den doppelten Zweck verfolgte, eine Antwort der Deutschen zu erwirken und ihnen gleichzeitig zu demonstrieren, dass es keinerlei Verbindungen des Kreml mit Großbritannien gab. Das sollte die Krone bestätigen, damit alle Bündnis- und Kriegsgerüchte aus der Welt schaffen und Hitler an den Verhandlungstisch bringen.

Die Reaktion auf den Vorstoß war katastrophal: Berlin schwieg und das Foreign Office an der Themse sprach von der „kriecherischen Haltung“ Stalins, die „eher einem Balkanstaat als einer Großmacht“70 entsprach. Als der russische Spion Harro Schulze-Boysen kurz darauf aus Berlin meldete, dass der Einmarsch unmittelbar bevorstünde, ultimativ einen sowjetischen Präventivschlag verlangte und betonte, dass dies keine „Provokation“, sondern „aus dem Herzen gesprochen“ sei, schrie Stalin: „Diese Quelle im Stab der deutschen Luftwaffe soll sich zum Teufel scheren! Das ist keine Quelle, sondern ein Desinformant!“71

Durch das Ignorieren von Hinweisen, die seiner Einschätzung widersprachen, hatte er sich praktisch selbst kaltgestellt.



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