Sommersturm by Olaf Buettner
Autor:Olaf Buettner [Buettner, Olaf]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783794170227
Google: MQBaAAAACAAJ
Amazon: B00DT3NT2G
Goodreads: 2543544
Herausgeber: Olaf Büttner
veröffentlicht: 2004-01-14T23:00:00+00:00
Kurt gehört zu den Menschen, die ich nur schwer verstehen kann, aber dass ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen, als er Betty die Tür öffnete, konnte ich problemlos nachempfinden. Ihr Outfit kostete ihn seine ganze Konzentration. Die hochhackigen Schuhe lieÃen ihre Beine doppelt so lang erscheinen, das kurze Sommerkleid schmiegte sich an ihren Körper. Lächelnd umarmte sie ihn.
Sein glasiger Blick verriet, dass er schon jetzt nicht mehr ganz nüchtern war. Aber man wurde ja nur einmal fünfzig. Bettys überschwänglicher BegrüÃung begegnete er trotzdem zurückhaltend, denn hinter seinem Rücken lag Martha wie eine dicke, argwöhnische Raubkatze auf der Lauer.
Die leise surrende Kamera im Anschlag, drängte ich mich an den beiden vorbei. Auch als Martha mich begrüÃte, nahm ich das Gerät nicht herunter. Keine Sekunde hörte ich auf zu filmen. Marthas erstauntes, etwas rotfleckiges Gesicht in GroÃaufnahme war eines der Glanzlichter meiner imponierenden Videopremiere.
Kurt und Martha hatten ihre Drohung wahr gemacht: Bis auf zwei Nachbarn war nur Verwandtschaft erschienen. Ohne Kamera wäre ich wohl vor Langeweile gestorben. Und obwohl selbst die banalsten Vorgänge durch den Sucher einer Kamera noch eine gewisse Würze erhalten, war die Veranstaltung an Tristesse und Stumpfsinn kaum zu überbieten. Jedenfalls bis zu einem bestimmten Punkt.
Trotz ihrer anderslautenden Ankündigung hatte Betty bis dahin nur gelegentlich an ihrem Sektglas genippt. Wir saÃen alle an einer langen Tafel, die aus drei zusammengeschobenen Tischen bestand. Das groÃe Gähnen hatte bereits mehrmals die Runde gemacht, als Betty letzte Vorbereitungen traf. Gerade hatte ich sie in GroÃaufnahme im Visier und sah ihre Entschlossenheit, als sie ihr Glas vollschenkte und es dann in einem einzigen Zug leerte.
âMartha!â, rief sie danach quer über den Tisch, âwas hattest du eigentlich neulich in der Schule zu suchen?â Ihre Stimme klang honigsüÃ, aber Marthas Gesicht verwandelte sich schlagartig in eine Maske.
âWelche Schule denn?â, fragte sie.
Betty schwieg und sah ihr direkt in die Augen. Die Aufmerksamkeit aller richtete sich auf die beiden.
âAchâ, sagte Martha schlieÃlich, âdu meinst Julians Schule?â
Betty nickte ausdrucksstark.
âErraten!â, sagte sie. âDu solltest dich für ein Fernsehquiz anmelden! Was wolltest du dort?â Ein bedrohlicher Unterton hatte sich bei ihr eingeschlichen. Während sie auf eine Antwort wartete, füllte sie erneut ihr Glas. Ich wechselte mit der Kamera mehrmals zwischen Betty und Martha.
âWas soll ich dort schon gewollt haben?â, schoss Martha zurück. âNatürlich habe ich mit Herrn Höfer gesprochen, Julians Klassenlehrer. Ãbrigens ein netter Mann.â
âWas wolltest du von ihm?â Betty lieà nicht locker.
Alle anderen Gespräche am Tisch waren inzwischen verstummt, es war sehr still. Ganz kurz nahm ich Kurt ins Visier, unter seinem rechten Auge zuckte es nervös. Martha hatte nun jede Spur Verlegenheit abgelegt.
âIst es etwa verbotenâ, sagte sie mit unterdrückter Wut, âdass ich mich für Julians schulische Leistungen interessiere?â Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: âSchlieÃlich war Rosa auch meine Schwester und es geht mich durchaus etwas an ...â
âDas sehr ich aber ganz andersâ, fiel Betty ihr ins Wort. âIch habe Julians Erziehung übernommen, ganz allein. Sie ist kein Gemeinschaftsprojekt der Hinterbliebenen. Und wenn ich deinen Rat brauche, lasse ich es dich wissen.â
Alle sahen auf einmal betroffen aus, ich fing es ein.
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