Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) by Boyd William
Autor:Boyd, William [Boyd, William]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-03T00:00:00+00:00
18. Einfache Himmelfahrt
Die beiden folgenden Tage verbrachte Bond sehr zurückgezogen. Er hielt seine gesammelten Erlebnisse in einem verschlüsselten Text fest (die Aufzeichnungen wirkten wie Notizen für einen Artikel über das französische Landleben: Er war eine Frau, Blessing ein Mann, der Krieg eine komplizierte Grundstückstransaktion). Kein Außenstehender könnte daraus schlau werden, doch ihm würde das als wertvolle Gedächtnisstütze dienen, wenn er seinen Abschlussbericht für M schreiben musste. Schließlich war bei dieser Mission bisher rein gar nichts nach Plan verlaufen.
Am Morgen danach war Sunday in einem vorsintflutlichen, wurmstichigen Morris Traveller vorgefahren, den er für zehn Dollar gekauft hatte. Damit unternahmen sie einen Tagesausflug zum blockierten Hafen von Port Dunbar – der sich aufgrund der massiven Versandung des Zanza-Deltas inzwischen zehn Meilen südlich der Stadt befand. Bond schlenderte über die leeren Kais und Werften, blickte auf leere Wasserflächen, die von riesigen rostigen Kränen und Ladebäumen bewacht wurden, und lauschte dem fernen Brausen der Brandung jenseits des Hafens. Er wusste, dass draußen auf dem Meer zwei Fregatten, die einst zur Royal Navy gehörten und nun die komplette Seestreitkraft von Zanzarim ausmachten, die Bucht von Benin nach Blockadebrechern absuchten. Noch weiter draußen lauerte der Frachter von Hulbert Linck mit seiner potentiell kriegsentscheidenden »brisanten Ladung« auf eine günstige Gelegenheit.
Bond blickte vom Kai aus zum Horizont und hatte das Gefühl, in der Luft zu hängen. Entweder würde sich alles ändern – oder gar nichts. Er dachte an Tony Msour, der bewusstlos im Kofferraum des Peugeots lag, inmitten von Ölpalmen versteckt – wie würde sich dessen Abwesenheit auf den Lauf der Dinge auswirken? Vielleicht würde sein tollkühner Einfall folgenlos bleiben oder im Gegenteil den Ausschlag geben. Noch stand alles auf der Kippe – er hatte seine besten Karten ausgespielt, nun musste er warten.
Während die Zeit so zäh verrann, schien sie für Bond seltsamerweise an Bedeutung zu verlieren. Er hatte schließlich sein Zimmer im Pressezentrum, für seine Ernährung war gesorgt, er konnte sich nach Belieben einen Drink genehmigen. Irgendwo nördlich der Stadt, auf Waldwegen und Pisten, an Flüssen und Sümpfen, vor eingestürzten Brücken und verminten Knüppeldämmen, standen sich Zanzarim- und Dahum-Soldaten gegenüber. Auch sie warteten – warteten darauf, was wohl als Nächstes passieren würde.
Das erste Anzeichen für eine mögliche Wende zeigte sich am späten Nachmittag des zweiten Tages nach der Entführung von Tony Msour. Plötzlich heulten in der Stadt die Sirenen, sie gaben Fliegeralarm, und zum ersten Mal spürte Bond einen Riss in der disziplinierten Ordnung, die die Bewohner von Port Dunbar pflegten. Sie gerieten zwar nicht in Panik, aber es machte sich eine gewisse Unruhe und Ängstlichkeit bemerkbar, und die Straßen füllten sich mit Menschen, die auf der Suche nach einem Schutzraum hektisch hin und her liefen. Bond meinte, in der Ferne Düsentriebwerke zu hören, und von der Batterie auf dem Hauptplatz wurde auf gut Glück eine Boden-Luft-Rakete abgefeuert. Nach zwanzig Minuten wurde Entwarnung gegeben. Breadalbane behauptete, eine MiG sei abgeschossen worden, aber niemand glaubte ihm.
Am nächsten Morgen erhielt Bond zu seiner Verblüffung Besuch von Kobus Breed.
»Haben Sie Ihren Rückflug gebucht?«, fragte Breed.
»Noch nicht. Warum?« Bond war auf der Hut.
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