Sinuhe der Ägypter by Mika Waltari

Sinuhe der Ägypter by Mika Waltari

Autor:Mika Waltari [Waltari, Mika]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-05-16T16:00:00+00:00


2

Die ganze Nacht wachten die Menschenhaufen in den Höfen Ammons und vor dem Tempel. Die Armen ruhten auf dem kühlen Rasen der Anlagen, und die Priester wurden nicht müde, auf allen Altären Ammons zu opfern und das Opferfleisch, das Opferbrot und den Opferwein unter die Menge zu verteilen. Sie riefen Ammon mit lauter Stimme an und versprachen jedem, der an Ammon glaube und sein Leben für den Gott opfere, ewiges Leben. Die Priester hätten das Blutvergießen verhindern können; aber es war nicht nach ihrem Willen. Sie hätten nur nachgeben und sich unterwerfen müssen, und der Pharao hätte sie in Frieden ziehen lassen; denn sein Gott verabscheute Verfolgung und Haß. Aber Macht und Reichtum waren den Ammonpriestern so zu Kopf gestiegen, daß sie nicht einmal der Tod der Gläubigen abzuschrecken vermochte. Sie wußten nur zu gut, daß weder das Volk noch die wenigen Wächter Ammons einer bewaffneten, kampfgewohnten Armee Widerstand leisten konnten, sondern daß die Soldaten das Volk hinwegfegen würden, wie der steigende Strom trockenes Stroh fortschwemmt. Aber sie wollten es zum Blutvergießen zwischen Ammon und Aton kommen lassen und den Pharao zu einem Mörder und Verbrecher machen, der reines ägyptisches Blut durch schmutzige Neger vergießen ließ. Sie gierten nach Opfern für Ammon, auf daß Ammon in Ewigkeit von den Dämpfen des Opferblutes leben sollte, selbst wenn sein Bildnis gestürzt und sein Tempel geschlossen würde.

Nach einer langen Nacht stieg schließlich die Sonnenscheibe Atons hinter den drei östlichen Bergen empor, und die Gluthitze des Sommertages vertrieb die nächtliche Kühle. Da wurde an allen Straßenecken und auf allen Plätzen in die Hörner gestoßen. Herolde verlasen eine Botschaft des Pharao und verkündeten, daß Ammon ein falscher Gott sei, den der Pharao absetze und in Ewigkeit verdamme. Sein verfluchter Name sei aus allen Inschriften, von allen Denkmälern, ja sogar von den Gräbern zu entfernen. Alle Ammontempel, im Oberen und im Unteren Lande, aller Grund und Boden Ammons, seine Viehherden, Sklaven, Bauten, sein Gold, Silber und Kupfer fielen dem Pharao und dem neuen Gott zu, und der Herrscher gelobte, die Tempel in öffentliche Anlagen, seine Parks in Volksgärten und seine heiligen Seen in öffentliche Seen zu verwandeln, wo die Armen an heißen Tagen baden und sich so viel Wasser, wie sie brauchten, holen dürften. Den ganzen Grundbesitz Ammons versprach er unter diejenigen zu verteilen, die keine Scholle besaßen, damit sie den Boden in Atons Namen bebauen sollten.

Anfangs hörte das Volk nach guter Sitte die Botschaft des Pharao ruhig an, aber schließlich erscholl von überall, von den Straßenecken, den Plätzen und den Tempelhöfen der tosende Ruf: »Ammon, Ammon!« Der Ruf klang so gewaltig, daß es schien, als hätten selbst die Steine und Hauswände der Straßen mitgerufen. Da begannen die Negersoldaten stutzig zu werden. Ihre mit roten und weißen Streifen bemalten Gesichter färbten sich grau, und die Augen rollten weiß in den grauen Gesichern. Sie blickten um sich und bemerkten, daß ihre große Zahl gering war in dieser mächtigen Stadt, die sie zum erstenmal in ihrem Leben sahen. Bei dem Geschrei des Volkes waren es übrigens nur wenige,



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