Shampoo Planet by Douglas Coupland

Shampoo Planet by Douglas Coupland

Autor:Douglas Coupland [Coupland, Douglas]
Die sprache: deu
Format: epub


33

Stell dir einmal vor, die Person, die du liebst, sagt zu dir: »In zehn Minuten wirst du von einem spitzen Stock durchstochen werden. Der Schmerz wird entsetzlich sein, und es gibt nicht das Geringste, das du tun kannst, um es zu verhindern.« Na - die nächsten zehn Minuten würden wohl ziemlich unerträglich sein, nicht wahr? Vielleicht ist es ganz gut, daß wir nicht in die Zukunft blicken können.

»Anna-Louise, was du für die Kids da tust, ist phantastisch.«

»Sprich mit mir nicht wie auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung, Tyler. Nicht heute.«

»Okay. Schon gut.« Seit wir das Einkaufszentrum verlassen haben, um im schwarzmattierten Luxus des Comfortmobiles durch Lancaster zu gleiten, ist Anna-Louise wie eine Eiskönigin.

Gen Osten sehe ich elektrische Leitungen mitten auf einem abgeernteten Gerstenfeld liegen. Merkwürdigerweise wurden die Stromkabel auf beiden Seiten eines Hochspannungsmasts durchtrennt und hängen von den in Dreiecksform ausgestreckten Aluminiumarmen so herab, daß sie einer Mutter gleichen, die um ihr gekidnapptes Kind weint und einen Schlafanzug ihres vermißten Kindes vor die CNN-Kameras hält.

Anna-Louise sieht schrecklich aus. »Anna-Louise, du siehst schrecklich aus. Hast du in der vergangenen Nacht nur zwei Stunden geschlafen?« Ihre Socken haben verschiedene Farben, ihr Pullover ist zerknittert und an ihren Mundwinkeln klebt verkrustete Zahnpasta. Sie hält eine knisternde weiße Plastiktüte mit ihrer Eightplex-Uniform fest umklammert auf dem Schoß.

»Ist mir egal.«

»Aha.«

»Ich nehme an, Miss France sah heute hinreißend aus?«

Ich schweige taktvoll und betone damit ungewollt, daß Stephanie in der Tat Anna-Louise bei einem Punkt-für-Punkt-Vergleich in bezug auf gepflegtes Äußeres ausstechen könnte. »Jeder hat mal einen schlechten Tag.«

Anna-Louise sagt: »Ich hatte heute zum Mittagessen Krach und 'ne Menge Gin.«

»Du bist betrunken zur Arbeit gegangen?«

Anna-Louise setzt sich steif auf. Sie drückt den nie zuvor benutzten Zigarettenanzünder ins Armaturenbrett, greift in ihren weißen Plastikbeutel, zieht eine Zigarette hervor und zündet sie zu meiner größten Verwunderung an.

»Anna-Louise, was machst du da? Rauchen ist was für arme Leute.«

»Was?«

»Es ist wahr. Reiche Leute siehst du nie rauchen. Niemals. Genau wie reiche Leute nie fluoreszierendes Licht bei sich zu Hause haben. Nur Glühbirnen. Oder Kerzen.«

»Woher willst denn du das wissen, Tyler?«

Soll ich es wagen, das Gespräch auf Frank E. Miller und die in seinem Buch »Das Leben an der Spitze« ausgedrückte Weisheit zu bringen? »Es stimmt offensichtlich. Rauche ruhig, und du kannst ebensogut gleich in eine Wohnwagensiedlung umziehen. Außerdem kannst du ein Schild um den Hals tragen, auf dem steht Ich habe keinen Ehrgeiz.«

»Und wenn ich einfach nur gern rauche?«

»Es ist deine Karriere.«

Trotzig raucht Anna-Louise. Im Auto verbreitet sich Kneipengestank, und ich öffne mein Fenster einen Spalt, woraufhin alle blauen Rauchfahnen direkt an meinem Gesicht vorbeiziehen, was Anna-Louise ein klein wenig Befriedigung verschafft. »Ich freue mich vielleicht auf so 'n richtiges Paukstündchen heute«, sage ich.

Was mit einem knappen Zug an der Zigarette erwidert wird.

»Sag mal, ist das da in deiner Tüte ein ›New Yorker‹? Du solltest ihn gut sichtbar tragen - so erkennen Fremde dein anspruchsvolles Niveau.«

»Ich bete in aller Heimlichkeit, danke, Dan.«

»Anna, warum bist du heute so launisch zu mir?« frage ich. »Warum benimmst du dich so gereizt? Habe ich dir was getan?«

Ein Schnauben ist die Antwort.



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