Selbs Mord by Schlink Bernhard

Selbs Mord by Schlink Bernhard

Autor:Schlink, Bernhard [Schlink, Bernhard]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-01-20T23:00:00+00:00


6

Na dann

Ich hatte wieder Fieber und ließ mir von der Nachtschwester zwei Aspirin geben. »Sie sehen nicht gut aus. Gehen Sie doch nach Hause und legen sich ins Bett!«

Ich schüttelte den Kopf. »Kann ich hier ein paar Stunden schlafen?«

»Wir haben am anderen Ende des Gangs eine zweite Abstellkammer. Ich stelle Ihnen ein Bett hinein.«

Als ich lag, gingen meine Gedanken zu Samarin. War die Luft bei ihm genauso stickig wie bei mir? Fühlte auch er die Enge des Raums? Hörte auch er das Summen der Heizung? Die Kammer hatte kein Fenster und war stockdunkel. Ich hielt meine Hände vor mein Gesicht, aber sah sie nicht.

Manchmal denke ich, eine Sache wäre vorbei, aber in Wahrheit geht sie erst richtig los. So war es mir am Morgen passiert, als Welker und Samarin mich ans Auto brachten. Manchmal denke ich auch, ich wäre in einer Sache mittendrin, und in Wahrheit ist sie schon vorbei. War, was wir in der Nacht zu Ende bringen wollten, in Wahrheit schon gelaufen? Natürlich war es noch nicht geschehen. Aber waren die Rollen schon so verteilt, die Einsätze schon so gegeben, daß das Geschehen, was immer wir überlegen und verabreden mochten, nur noch in einer Weise ablaufen konnte?

Es war nur ein Gefühl. Eine Angst. Die Angst, wieder zu langsam zu sein und nicht schnell genug zu merken, was in Wahrheit geschah. So ging ich denn noch mal alles durch: was Welker wollte und was Samarin, was beide bestenfalls kriegten und schlimmstenfalls verloren, womit sie einander und auch uns andere vielleicht überraschen könnten.

Darüber schlief ich ein. Um Mitternacht weckte mich die Nachtschwester. »Die anderen sind zurück.«

Philipp, Nägelsbach und Welker saßen im Schwesternzimmer und besprachen, wo der Austausch stattfinden sollte. Welker wollte einen versteckten, verschwiegenen Ort, am liebsten am Stadtrand.

Nägelsbach war für einen offenen, hellen Platz oder eine Straße mitten in der Stadt. »Ich will die anderen sehen!«

»Um sicherzugehen, daß sie keinen Hinterhalt legen? Wir sagen, wo und wann wir uns treffen. Wir geben die Zeit so vor, daß sie keinen Hinterhalt legen können.«

»Aber wo es hell und offen ist …«

»Wir sollten beim Austausch einen oder auch zwei von uns in Reserve haben, die alles sehen, aber nicht gesehen werden können. Die, wenn nötig, überraschend eingreifen können.«

Wir wählten den Luisenpark. Es gab dort Bäume und Gebüsch zum Verstecken und zugleich eine weite Rasenfläche. Die anderen sollten die Werderstraße hochfahren, und wir würden mit Samarin von der Lessingstraße kommen. In der Mitte des Parks würde der Austausch stattfinden.

»Machen wir ihn, Philipp? Während Sie beide in Reserve bleiben?« Ich entschied, und die anderen nickten. Nägelsbach war auch bereit, wieder die Uniformjacke und -mütze anzuziehen. »Vielleicht sind wir froh, wenn wir so tun können, als wäre die Polizei auf unserer Seite.«

Dann konnten wir nur noch warten. Der alte, große, mechanische Wecker im Schwesternzimmer hackte die Zeit klein. Nägelsbach hatte zwei Schachteln mit Streichhölzern gefunden und baute ein Türmchen, immer zwei Hölzer längs und zwei quer und die Köpfe gleichmäßig in alle Richtungen. Welker hatte die Augen geschlossen; sein Gesicht war angespannt, als arbeite er konzentriert an einer komplizierten Rechenaufgabe.



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