Seit er sein Leben mit einem Tier teilt by Kirchhoff Bodo

Seit er sein Leben mit einem Tier teilt by Kirchhoff Bodo

Autor:Kirchhoff, Bodo [Kirchhoff, Bodo]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2024-01-11T00:00:00+00:00


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Alle Wege in den Ort sind Wasserläufe, reißend, wo sie steil abwärts führen, braune Kaskaden über mitgeschwemmte Äste und Erdklumpen. Auch auf der Straße hinunter zum See fließen Bäche, Teile der Fahrbahn sind schon unterspült und eingesackt, für Autos gibt es kein Durchkommen mehr. Almut macht Bilder von den Folgen des Sturms, von Gesteinsbrocken auf der Straße oder einer Katze auf entlaubtem Baum. Sie schaut sich die Bilder im Gehen gleich an, blass im Gesicht trotz ihrer Farbe von der Bootsfahrt, immer noch unter dem Eindruck einer Nacht mitten am Tag, und Schongauer würde sie gern an der Hand nehmen, sie an der Tiefgarage mit dem abgestellten alten Lancia vorbeiführen. Die Einfahrt zu der Garage ist durch ein Polizeiband versperrt, davor Autobesitzer, die keinen Zutritt erhalten; ein Carabiniere erklärt, es würden nach Abpumpen des Wassers in der Garage von allen Autos Fotos gemacht für die Versicherung. Almut seufzt im Weitergehen: in einer Stille vor der Einfahrt, als wäre in der Garage jemand ertrunken.

Es ist auch seltsam still im Ort. Die schon tiefe Sonne fällt auf Lachen wie kleine Teiche, darin glitzernde Scherben und ein Laub, als wäre es Herbst. Zerfetzte Sonnenschirme liegen vor den Lokalen am See, Stühle sind ineinandergeschoben, und in den Bäumen an der Promenade hängen Tischtücher, Reste einer zerstörten Ordnung. Schongauer und Almut gehen mit etwas Abstand nebeneinander, nur wenn sie Pfützen durchqueren, berühren sich die pendelnden Hände, seine rechte ihre linke. Sie gehen bis zum Hafenbecken, wo der Sturm die Boote verkeilt hat, und auch dort herrscht seltsame Stille; in den Lachen auf dem Platz baden Spatzen, ihre Piepser sind die einzigen Laute. Almut entschuldigt sich noch einmal für ihre Panik während der Dunkelheit im Haus, für alles, was da passiert sei; sie will noch mehr dazu sagen, aber Schongauer wehrt es mit Handheben ab, übergehend in eine Geste des vorläufigen Abschieds, leichtem Winken vor seinem Gesicht. Er will jetzt nach dem Boot sehen, nichts anderes – Dann vielleicht bis später, sagt er, und Almut, die Hände seitlich am Hals, stummer Rest ihrer Entschuldigung, bittet ihn, noch einen Moment zu bleiben, für eine einzige kurze Frage, wann genau eine Liebe anfange.

Schongauer schaut auf den See, auf Wellen, in denen er so umkommen würde wie Magda in der Brandung bei Dakar. Über seine Antwort muss er nicht nachdenken – Eine Liebe fängt an, wenn wir das Glück, das jemand in uns auslöst, nicht länger in Schach halten.

Und wann endet sie?

Wenn das Peinliche, das in jeder Liebe steckt, keine Rolle mehr spielt, sagt er, und Almut sieht ihn fragend an, aber fragt nicht. Die Spatzen in der Lache planschen, und irgendwo auf dem Platz klingelt ein Telefon. Das Peinliche – Schongauer bereut es, diesen Begriff ins Spiel gebracht zu haben. Am Ende war es das Sexuelle, wie sie da beide für eine Stunde andere Menschen waren, einander kaum wiedererkannt haben. Magda und ich, erklärt er, wir waren das Paar, das in keinem Film vorkommt, jedenfalls haben wir es nie entdeckt, und wir haben viele Filme zusammen gesehen. Sie wollte etwas zwischen uns, das ihr und mein Leben verändert, ich wollte nur, dass sie bei mir ist.



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