Schwarze Magnolie by Lee Hyeonseo; John David

Schwarze Magnolie by Lee Hyeonseo; John David

Autor:Lee, Hyeonseo; John, David [Lee, Hyeonseo; John, David]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


Kapitel 29

Der Trost des Mondlichts

Mitfühlende Menschen, die ich in China kennengelernt hatte, zeigten sich manchmal fassungslos darüber, dass die Kim-Dynastie Nordkorea nun schon seit fast sechs Jahrzehnten tyrannisierte. Wie kommt diese Familie damit durch? Und ebenso unverständlich: Wie kommen ihre Staatsangehörigen damit klar? In Wahrheit gibt es keine Trennlinie zwischen grausamen Führern und unterdrückten Bürgern. Die Kims regieren, indem sie alle zu Komplizen ihres brutalen Systems machen, das jeden einbezieht, vom Höchst- bis zum Niedrigstgestellten, und moralische Maßstäbe so verwischt, dass niemand schuldlos ist. Ein eingeschüchterter Parteikader schüchtert seine Untergebenen ein und so weiter, die Leiter hinab; Freunde denunzieren einander aus Angst, dafür bestraft zu werden, wenn sie es nicht tun. Ein wohlerzogener Junge wird zu einem Wächter, der ein Mädchen zu Tode tritt, wenn es bei dem Versuch erwischt wird, nach China zu fliehen, weil sein songbun auf die niedrigste Stufe gesunken ist und es in den Augen des Staates als wertlos und feindselig gilt. Normale Menschen werden zu Verfolgern, Denunzianten, Dieben. Sie nutzen die Angst, die von der Spitze ausgeht, um sich irgendeinen Vorteil zu verschaffen oder zu überleben. Und obwohl der Kriminelle, der nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt vor mir stand, aus China kam und nicht aus Nordkorea, erkannte ich in ihm ein Paradebeispiel. Es lag in seiner Macht, Menschen zu retten, ein Held zu sein. Stattdessen nutzte er den Terror des Regimes dazu, sich selbst Vorteile zu verschaffen und zum Elend anderer beizutragen. Er hatte mich an den Rand einer Klippe getrieben. Bezahle mich, oder ich stoße dich hinunter.

Ich sagte es noch einmal. »Ich habe nicht so viel Geld. Wenn du die Gebühr senkst, werde ich sehen, was ich machen kann. Aber wenn das nicht geht, kann ich nichts tun.«

Ich war völlig resigniert. Er musste es an meinem Blick erkannt haben, denn er ließ mich allein und beriet sich mit den anderen. Die Wohnung hatte billige Gipswände. Ich konnte das meiste von dem verstehen, was im Zimmer nebenan besprochen wurde.

»Wenn du Geld von ihr willst, kannst du sie nicht anrühren«, sagte einer von ihnen.

Kahlkopf kam zurück ins Zimmer. Er sagte, ich müsse hierbleiben, bis eine Lösung gefunden worden sei. Er würde meine Tasche aus Herrn Ahns Haus holen lassen.

Ich hoffte, dass mein neutraler Gesichtsausdruck meine Panik versteckte. Mein Handy und das gesamte Bargeld waren in dieser Tasche. Ich wollte nicht, dass sie das Geld in die Finger bekamen – sonst wäre nichts mehr für meine Mutter und Min-ho und die Gebühr für Frau Ahns Schmuggler übrig.

Ich fragte Kahlkopf, ob ich sein Handy benutzen könne. Er befahl mir, in seiner Anwesenheit zu telefonieren, damit er hören konnte, was ich sagte.

Ich rief die Nummer meines eigenen Handys an, aber bei Herrn Ahn zu Hause ging niemand dran. Ich versuchte es erneut. Und noch einmal. Kahlkopf hatte das Interesse verloren und ging zu den anderen, um mit ihnen zu reden.

Kommt schon. Bitte. Jemand muss drangehen.

Min-ho erzählte mir später, dass Herr Ahn und er das Handy klingeln gehört hatten, aber nicht wussten, welche Taste sie drücken mussten, um abzuheben.



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