Schlaf nicht ein by Michelle Harrison
Autor:Michelle Harrison
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Jugendroman
ISBN: 9783732001002
Herausgeber: Loewe
veröffentlicht: 2014-04-10T22:00:00+00:00
Auffliegen lassen
Die Stimme hatte gedämpft geklungen. Verschwommen sah ich, wie die Gestalt einen Schritt machte und dann ausholte. Wieder spürte ich ein scharfes Stechen am Fuß.
»Hey!« Ich setzte mich auf. Mit der einen Hand umklammerte ich die Pferdedecke, um mir wenigstens noch ein letztes bisschen Würde zu bewahren, mit der anderen Hand schirmte ich die Augen gegen das Sonnenlicht ab. Was ich allerdings sofort bereute. Im Türrahmen stand Ophelia, in der Hand eine bedrohlich aussehende Mistgabel.
»Elliott?«
»Hast du dieses Ding gerade in meinen Fuß gerammt?«, fragte ich empört.
»Ich ramme es gleich ganz woandershin. Steh sofort auf.«
Mühsam kam ich auf die Beine. Jeder Muskel brannte höllisch. Was für ein Albtraum – schlimmer konnte es kaum kommen.
»Hat er dir wehgetan, Liebling?«, murmelte sie und sah das Pferd besorgt an.
»Wehgetan? Natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?«
Ophelia warf den Kopf herum und funkelte mich an. »Mal überlegen … Es ist halb acht in der Früh und du hast dich in einem Stall verkrochen. Offensichtlich hast du die ganze Nacht hier verbracht – ach ja, und du bist nicht nur halb nackt, sondern trägst auch noch eine Pferdedecke um die Schultern!«
Ich blickte an mir herab, dann zu meiner nassen Pyjamahose am Haken und zu dem Pferd. Schließlich sah ich Ophelia an.
»Ich kann das erklären.«
Ihre Augen verengten sich. »Ach ja? Du hast dreißig Sekunden. Je nachdem, was ich von dir zu hören bekomme, hole ich dann entweder Hodge und lasse dich rausschmeißen oder ich prügle dich windelweich, hole dann Hodge und die Polizei und lasse dich rausschmeißen.«
»Hey, komm schon. Ich habe gesehen, wie du kämpfst …«
Sie verschränkte die Arme. »Sechsundzwanzig Sekunden.«
»Okay, schon gut. Hör zu. Weißt du noch, was ich damals beim Abendessen gesagt habe? Über meine außerkörperlichen Ausflüge?«
Sie runzelte die Stirn. »Ja. Und?«
»Letzte Nacht ist es wieder passiert …« Ich zermarterte mein Hirn nach irgendwelchen Erklärungen, die auch nur halbwegs plausibel klingen würden – wozu die Wahrheit ganz bestimmt nicht zählte. Schließlich fiel mir mein erster Gedanke beim Anblick des leeren Betts ein. »Ich bin offenbar ein Schlafwandler. Ich habe keine Ahnung, wie und warum – es war das erste Mal.«
Ihr Blick wurde etwas sanfter. »Und dann bist du rein zufällig hier aufgewacht?«
»Ich … nein.« Unter ihrem bohrenden Blick löste ich mich auf wie eine Schnecke in Salzlauge. Zu allem Überfluss wurde es langsam anstrengend, die Pferdedecke so zu halten, dass sie alles verdeckte. Wie demütigend!
»Ich bin auf dem Dorfplatz aufgewacht, völlig durchgeweicht und nur in meiner Schlafanzughose. Ich konnte nicht mehr ins Hotel zurück, ich hatte mich ausgesperrt.« Ich zeigte auf meine Hose. »Ich dachte, wenn ich abwarte, bis sie die alte Scheune öffnen, dann könnte ich mich reinschleichen und mir was zum Anziehen holen, bevor jemand etwas merkt.«
»Warum hast du nicht einfach Hilfe geholt?
»Um mir die peinliche Situation zu ersparen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand etwas davon mitbekommt«, antwortete ich mürrisch und rieb meine Schläfen. Ein dumpfes Pochen kündigte eine Kopfschmerzattacke an. »Am allerwenigsten du.«
Ophelias Lippen zuckten. Ich wappnete mich gegen die Schimpftirade, die auf mich herabprasseln würde – aber stattdessen prustete sie los.
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