Saltimbocca - Kriminalroman by Aufbau

Saltimbocca - Kriminalroman by Aufbau

Autor:Aufbau [Aufbau]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-18T16:00:00+00:00


6

Wahrscheinlich hatten wir einfach einen schlechten Tag erwischt. In einem kargen, rustikalen Raum wurden wir hastig und kühl bedient.

(Gambero Rosso – Restaurantführer Italien Nord und Rom)

»Sie haben also nichts Auffälliges bemerkt?« Der Kriminalpolizist stöberte durch die leeren Taschen meines Rucksacks. Den Inhalt hatte ich auf der alten Kommode an der Wand des Nebenraums ausgebreitet. Links führte eine Tür zu den Toiletten, rechts hinter dem Vorhang befand sich der Gastraum, in dem noch ungefähr ein Dutzend Gäste auf seine Durchsuchung wartete.

»Nein«, sagte ich. Ich hatte einiges Auffällige bemerkt, von Minute zu Minute mehr. Auffällig war zum Beispiel das Poster neben dem Kartentelefon. Es zeigte eine schlechte Reproduktion von Michelangelos »Das Jüngste Gericht« in der Sixtinischen Kapelle. Das Selbstporträt auf der Haut des heiligen Bartolomäus war hier nicht zu erkennen.

»Dürfte ich Sie bitten, die Hosentaschen zu leeren«, sagte der Polizist. Ich nickte.

»Wenn die Dame gerettet wird, ist das auch Ihr Verdienst.« Der Polizist lächelte, während er meine Brieftasche auffaltete. »Sie haben sofort erkannt, daß es sich um Strychnin handelt.«

»Sie kennen sich mit Giften aus?« fragte sein älterer Kollege. Er musterte mich.

»Berufsbedingt. Ich schreibe Krimis.«

»In denen Giftmorde vorkommen?«

Der Ton der beiden war freundlich. Zu freundlich. Ich dachte, daß eine Halbwahrheit diese Frage gut genug beantworten würde.

»Manchmal«, sagte ich. »In dem Krimi, an dem ich gerade arbeite, geht es blutiger zu. Da wird ein Restaurantkritiker namens Ferreri mit einem Metzgermesser zerstückelt.«

»Ekelhaft!« Der junge Polizist blätterte durch mein Manuskript.

»Kannten Sie das Opfer?« fragte der andere.

»Ich habe die Frau einmal hier gesehen. Vorgestern.« Das war die Wahrheit, doch ein Lügendetektor hätte mir das nicht abgenommen. Ich blickte in den Spiegel über der Kommode. Vielleicht sah man mir nichts an, doch ich spürte, wie nervös ich war. Es nützte nichts, mir vorzusagen, daß ich nicht mehr als ein paar belanglose Worte mit ihr gewechselt hatte und nur zufällig anwesend gewesen war, als sie vergiftet worden war. Ich hatte mein Möglichstes getan, ihr zu helfen, bis der Notarzt erschien, und doch fühlte ich mich in gewisser Weise schuldig. Zumindest verantwortlich.

»Sie sind hier Stammgast?« fragte der ältere Kriminaler. Er begann, meine Kleidung abzutasten. Ohne dazu aufgefordert zu werden, spreizte ich die Beine.

»Seit ein paar Tagen, ja«, sagte ich.

»Gibt es dafür einen speziellen Grund?«

»Lokalkolorit, Ambiente«, sagte ich. »Für meinen Krimi muß ich wissen, wie es in einer traditionellen Trattoria zugeht, wie das Essen schmeckt, wie sich die Gäste verhalten. Ich versuche, so authentisch wie möglich zu arbeiten.«

»Natürlich«, sagte der Polizist, als habe er in einem Krimi nie etwas anderes gelesen als die Wahrheit, die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und als wisse er genau, daß ich einiges vor ihm verbarg. Zum Beispiel, daß ich die Rothaarige in meinem Roman an Strychnin umkommen ließ. Daß das nur Fiktion war, ein Krimielement eben, entlastete mich in diesem Fall wenig. Zu sehr hatte ich von Anfang an die reale mit der fiktiven Ebene vermischt, und nun schien sich beides wie Ei und Mehl zu einem solch zähen Teig verbunden zu haben, daß die einzelnen Zutaten nicht mehr zu unterscheiden waren. War



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