Rose und Schwert by Paretti Sandra

Rose und Schwert by Paretti Sandra

Autor:Paretti, Sandra [Überarbeitet]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-09T16:00:00+00:00


KAPITEL 30

Leben... Leben... Sie wusste nicht, ob sie es geschrien hatte: Es klang wie der Schrei eines gefangenen Tieres. Sie wusste nichts mehr. Jeder Atemzug tat ihr weh. Atmen? Sie atmete. Sie lebte. Caroline öffnete die Augen, schloss sie sofort wieder. Der Raum schien zu schwanken, Übelkeit würgte sie. Sie wartete, versuchte langsam zu atmen, sich zu besinnen, wo sie war. Ihre Hände tasteten um sich, spürten groben Stoff. Sie trug ein raues Hemd mit langen losen Ärmeln auf dem Körper; das Gewebe hatte ihren Hals wund gescheuert. Ihre Füße waren nackt. Alle Glieder schmerzten, in ihrem Kopf war eine dumpfe Leere. Wieder versuchte sie die Augen zu öffnen. Allmählich nahm der Raum Gestalt an: das schmale vergitterte Fenster ganz oben an der Wand, durch das kaum Licht fiel, die vor Feuchtigkeit glänzenden Wände aus großen Steinquadern, der graue Steinboden, die hohe schwere Gittertür.

Sie versuchte sich aufzurichten, fiel aber sofort wieder auf das Strohlager zurück. Wie lange war sie schon hier? Einen Tag? Einen Monat? Ein Jahr? Zeit hatte keine Bedeutung mehr. Ihr Gedächtnis, ihr Wille waren so gelähmt wie ihr Körper, der nur noch ein Verlangen zu kennen schien, zu schlafen.

Aber der Funken Bewusstsein, der noch in ihr war, wehrte sich. Verzweifelt versuchte sie die einzelnen Erinnerungsfetzen sinnvoll aneinanderzureihen. Piombino. Der Gasthof am Hafen. Neri. Das Kind, das man ihr entrissen hatte. Batu. Die Männer auf der Treppe. Dann riss alles ab. Wohin hatte man sie gebracht? Der Brief fiel ihr wieder ein. Das Kloster San Marco in Florenz?

Ihre Hand, die schlaff über den Rand des niedrigen Lagers hing, suchte nach dem Krug, der am Boden stand. Sie stützte sich auf den Ellbogen, goss etwas aus dem Krug in das Glas. Die milchig weiße Flüssigkeit verströmte einen schweren süßlichen Duft. Die leichte Übelkeit, die sie erfüllte, wurde heftig, als sie davon trank. In ihr krampfte sich alles zusammen. Sie sank auf das Lager zurück. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper plötzlich schweißnass wurde.

Gift! Es war, als zerrisse dieser Gedanke die dämmernde Betäubung, die sie gefangen hielt. Wollte man sie zum Schweigen bringen? Oder war es etwas anderes, ein Mittel, sie zum Reden zu bringen? War es das, was sie lähmte, ihre Glieder wie mit Blei füllte, ihr Gedächtnis verdunkelte, ihren Willen ausgelöscht hatte? Sie musste kämpfen, sich wehren. Wenn sie sich selber aufgab, war es das sichere Ende.

Aber sie war zu schwach. Sie spürte, wie die Kräfte sie verließen. Ihre Gedanken verwirrten sich; sie fühlte sich zurück sinken in das willenlose Dahindämmern.

Der Raum lag im Dunkeln, als sie wieder zu sich kam. Sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte. Die Zähne schlugen ihr aufeinander. Sie zog die kratzende Decke über die Schultern. Aber der Druck im Kopf war schwächer geworden, und auch die bleierne Schwere in den Gliedern hatte etwas nachgelassen. Ihr Körper begann sich zu wehren.

Es waren Schritte, die sie geweckt hatten. Sie kamen hallend den Gang entlang, hielten vor der hohen Gittertür. Im Licht einer Laterne sah sie die Gestalten von zwei Nonnen. Ihre Gesichter erkannte sie nicht.



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