Roman eines jungen Mannes by Klabund
Autor:Klabund [Klabund]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3-932245-12-1
Herausgeber: Elfenbein Verlag, Heidelberg
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
XXIII
Intermezzo
Zimmer bei Josua.
Klaus: »Die erste Bedingung zur Kritik ist zweifellos Liebe zum Kunstwerk.« (Er schmiert sich ein Brot mit Butter und packt mit bloÃen Händen eine Zervelatwurst, die er ungeschickt anschneidet: sie fällt auf den Boden. Bückt sich hastig.) »Verdammt, verdammt.«
Josua: »Ich habe heute meine melancholische Stunde. Ich komme nicht zum Klaren.«
Klaus: »Alles ist Dunst â wenn man will.«
Josua: »Du verstehst mich falsch. Es ist ein Schleier um mich gebreitet, ganz dünne, ganz zarte silberne Maschen, und ich sehe etwas â und ich weià es nicht, es schimmert â ich möchte einmal klar sehen.«
Klaus: »Vielleicht, wenn du noch mehr Absinth trinkst.«
Josua: »Oben am Kopf möchte ich mich packen und daran reiÃen. Es ist etwas um mich herum.« (Stöhnend:) »Mein Gott!«
Ruth: »Du bist seltsam die letzten Tage.«
Klaus (milde): »Er ist Lyriker.«
Ruth: »Ich finde seine Gedichte langweilig. Wenn er nicht mehr könnte â¦Â«
Klaus: »Natürlich â Physik des Weibes.«
Josua: »Astronomie des Mannes.«
Ruth: »Siehst du â ich bin sein Stern.«
Klaus: »Der Polarstern.«
Josua: »Die Waage.«
Klaus: »Mein Gott, ist das trivial, einem ewig zu widersprechen. Hast du meine Kritik in der Münchener Post gelesen?«
Ruth: »Warum schreibst du eigentlich für sozialdemokratische Zeitungen? Wenn man sich einen Ulster für fünfundsechzig Mark leisten kann!«
Klaus: »Meine Kritik über Strunkels modernes Mysterium âºDie Erstgeburtâ¹? Er hat es vorgestern im Fränkischen Hof vorgelesen zur Rechtfertigung des Werkes gegen das Zensurverbot. Diese Rechtfertigung scheint mir schlecht gelungen.« (Er schneidet von der Zervelatwurst.) »Was allerdings die Zensur AnstöÃiges fand, ist mir unfaÃlich. Es wird kaum jemand einfallen, die im Sinne der Zensur blutschänderischen Szenen des zweiten Aktes anders als symbolisch zu deuten.«
Josua: »Das ist ja das Ekelhafte! Daran krankt ja die Gegenwart! Am Symbolischen! Symbole!«
Ruth: »Ich finde sie so nett. Man spielt mit Kugeln und weiÃ, was man hat. Die Sterne fallen nicht herab. â Leider!«
Josua: »Surrogat! Alles Surrogate. Die Menschen, schlechte Imitationen ihrer selbst. Wenn sie doch einmal zum Sein kommen könnten, und sei es zum Gemeinsten, Niederträchtigsten â aber seht ihr denn nicht, daà sie â fliegen? Die blöden Menschen! Sie meinen die Fliegekunst eben entdeckt zu haben. Aber wir fliegen seit Ewigkeiten. Nie kommen wir zum festen Boden. Und wenn man sich hinausstürzt aus dem Ballon â hinab will man, hinab. Es geht nicht ⦠Die Luft trägt einen. Oh, wir Engel.«
Ruth (seufzt): »Reden wir von etwas anderem.«
Klaus: »Genau so spricht Strunkels Urmensch: Reden wir von etwas anderem. Wie ein Kommerzienrat. Nein, reden wir überhaupt erst einmal von dem einen: Wieviel hast du noch, Josua?«
Josua: »Zehn Mark und drei Fünfpfennigmarken.«
Ruth: »Wir gehen tanzen heute abend, ja?«
Klaus: »Verdammt, verdammt!«
Josua: »Reiche mir mal die Rumflasche.«
Klaus: »Da â aber tu erst den Lutschpfropfen ârauf.«
Ruth: »Vorgestern und gestern hast du mich versetzt, weiÃt du das, Josua?«
Josua: »Ich dich versetzt? Ich wollte, ich könnte es, ich würde dich in den Mond versetzen.«
Klaus: »Josua, wie oft soll ich dir noch sagen â du sollst nicht lyrisch produzieren, wenn du nichts dafür bekommst. Das ist Verschwendung!«
Ruth: »Wenn es dir Vergnügen macht, mich zu versetzen, meinetwegen auch in den Mond, dann tue es immerhin, glaube aber ja nicht, daà ich so dumm bin und warte.
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