Vernichten by Michel Houellebecq

Vernichten by Michel Houellebecq

Autor:Michel Houellebecq
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783832182434
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


3

Paul hatte es immer gemocht, wenn der Erste eines Monats auf einen Montag fiel, er mochte es generell, wenn Dinge zeitlich zusammenfielen, das Leben sollte eine Aneinanderreihung angenehmer Kongruenzen sein, dachte er. Idealerweise. An diesem Montag, dem 1. März, schien sich in der Region Paris und sogar in ganz Frankreich das gute Wetter endgültig durchgesetzt zu haben. Gegen siebzehn Uhr beschloss er, seinen Arbeitstag zu beenden, er hatte Lust darauf, einen Aperitif auf einer Außenterrasse zu trinken, eben Dinge zu tun, die er schon lange nicht mehr getan hatte, die er ehrlicherweise noch nie wirklich getan hatte. Vielleicht könnte sich Prudence freimachen, was zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen war, denn seit ihrem letzten Wochenende erschienen ihm wenige Dinge unmöglich.

Sie hob erst nach zehnmaligem Klingeln ab, und als er, zunächst erleichtert, hörte, wie sie mit ganz leiser Stimme »Paul …« sagte, wusste er sofort, dass etwas Ernstes passiert war.

»Ich bin zu Hause. Du kommst besser so schnell wie möglich. Es geht um meine Eltern.«

»Was ist los?«

»Meine Mutter ist tot.«

Mit auf den Knien abgestützten Händen und leicht zusammengekauert saß sie auf dem Sofa und wartete auf ihn. Sie musste geweint haben, aber jetzt war sie ruhig. Er setzte sich neben sie, legte ihr den Arm um die Schultern. Sie ließ es geschehen, legte den Kopf auf seine Brust; er war unglaublich leicht.

»Wie ist das denn passiert?«

»Ein Autounfall. Sie hatte schlechte Reflexe, sie hätte längst kein Auto mehr fahren sollen. Man hat sie nach Vannes ins Krankenhaus gebracht, dort wurde sie noch operiert, aber es hat nichts genützt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist sie gestorben. Sie haben das ganze Wochenende lang versucht, mich zu erreichen, aber du weißt ja, mein Handy war ausgeschaltet …«

Ja, das wusste er; auch er hatte am vergangenen Wochenende sein Handy ausgeschaltet; sie hatten schließlich das Recht zu leben.

»Letztendlich hat mich die Nachbarin heute Morgen angerufen.«

»Und dein Vater?«

»Er ist auch im Krankenhaus in Vannes, zur Beobachtung. Es geht ihm gar nicht gut, er weigert sich, mit irgendwem zu sprechen. Ich will mir gar nicht vorstellen, in welcher Verfassung er ist …« Sie begann wieder zu weinen, leise, lautlos. »Er war zehn Jahre älter als sie, weißt du … Er hätte nie geglaubt, dass er sie überleben würde.«

Er sah seinen eigenen Vater vor sich, niedergeschlagen in seinem Lehnsessel im Esszimmer nach dem Tod seiner Mutter, dann in der psychiatrischen Klinik in Mâcon, abgestumpft durch die Psychopharmaka, dann wieder in Saint-Joseph, er hatte Monate gebraucht, um damit fertigzuwerden, ohne Madeleine hätte er es wahrscheinlich nie geschafft. Das war seltsam, seine Mutter war keine außergewöhnlich gute Ehefrau gewesen, weder besonders zärtlich noch liebevoll, und als Hausfrau hatte sie sich auch nicht besonders hervorgetan – sie hatte, wenn man es genauer betrachtete, ziemlich viel mit Prudence’ Mutter gemeinsam bis auf die Tatsache, dass sie eher dem Kleinbürgertum entstammte. Bei keiner von beiden hatte er das Gefühl, dass ihre Liebe die Zeit tatsächlich überdauert hatte, und doch hatten sie weitergemacht, sie hatten ihr Leben gemeinsam mit ihren Männern verbracht, Kinder großgezogen,



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