Rehn, Heidi by Bernsteinerbe

Rehn, Heidi by Bernsteinerbe

Autor:Bernsteinerbe
Die sprache: deu
Format: mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


14

Die Aufregung um den Gesundheitszustand des ehrwürdigen Altstädter Physicus war enorm. Unter großer Anteilnahme der Nachbarschaft brachte man ihn aus Heydrichs Apotheke in der Kneiphofer Magistergasse in sein Anwesen in der Altstädter Schmiedegasse. Doch dort fand er nicht die nötige Ruhe, die zu seiner Genesung so wichtig war, was Carlotta bei ihrem Besuch am nächsten Tag sofort ins Auge fiel. Zwar drangen die besorgten Mitbürger nicht bis zu Keplers prunkvollem Bett im zweiten Geschoss vor, dennoch rissen die Störungen auch dort oben nicht ab. Marthe, die altgediente Wirtschafterin, kam unter immer neuen Vorwänden in das Schlafgemach. Mal brachte sie eine Kerze für den Kandelaber, mal eine weitere Decke, schließlich stellte sie einen Krug warmen Bieres auf die Truhe neben dem Bett. Der malzige Geruch verdrängte alsbald den zarten Duft des Rosenwassers, das Carlotta gleich nach ihrem Eintreffen zu Keplers Erfrischung um das Bett herum versprüht hatte. Noch bevor sie ihn erneuern konnte, erschien die Magd, um dem Physicus auf Marthes Anweisung hin einen heißen Stein zum Wärmen der Füße unter die Bettdecke zu schieben. Auch Hanna, Keplers Tochter, fand ständig neue Vorwände, ungebeten am Krankenlager aufzutauchen. Einmal stellte sie einen Krug Wasser auf den Tisch vor dem Fenster, ein anderes Mal kam sie, um die Hausschuhe zu richten, beim dritten Mal ging es ihr darum, den Mantel zum Ausklopfen zu holen.

»Damit wirst du hoffentlich einige Zeit beschäftigt sein«, knurrte Christoph die dürre Zwanzigjährige an. »Jedenfalls möchte ich dich in den nächsten zwei Stunden nicht mehr hier oben sehen. Schließlich liegt Vater im Bett, weil er dringend der Ruhe bedarf, und nicht, damit er sich angesichts des Trubels wie im Taubenschlag fühlt.«

»Aber …«, setzte seine Schwester an, um sogleich zu verstummen. Kurz hatte der alte Kepler die Augen geöffnet und die Augenbrauen zusammengezogen. Das genügte. Mit einem merkwürdigen Blick auf Carlotta, die neben Christoph am Fußende des Bettes stand, warf die Kepler-Tochter das offene braune Haar in den Nacken und verließ die Kammer hocherhobenen Kopfes.

»Der Mantel«, entfuhr es Carlotta, kaum dass die Tür ins Schloss gefallen war, und wollte zum Haken eilen, das gute Stück zu ergreifen.

»Lass«, bat Christoph. »Das hat Zeit. Schließlich hängt er seit gestern hier, ohne dass sich jemand um sein Ausklopfen gesorgt hat.«

Vom Bett ließ sich ein tiefer Seufzer vernehmen.

»Was meinst du, mein Sohn?« Keplers Gemahlin faltete dem kranken Medicus behutsam die Hände über der Decke und erhob sich langsam von der Bettkante. Fahrig fuhr sie sich mit den fleischigen Händen über das schwarze Taftkleid. »Sollen wir heute nicht doch besser nach Doktor Lange schicken lassen? Der Leibarzt des Fürsten Radziwill kann uns sicher raten, wie wir weiter mit dem Ärmsten verfahren sollen.«

»Wozu?« Ungehalten begann Christoph, in dem schmalen Raum zwischen Bett und Fensterfront auf und ab zu gehen. Durch die beiden Fenster zur Schmiedegasse fiel tristes Novemberlicht herein. Die Morgensonne war grauen Wolken gewichen. Bald würde der nächste Schneeschauer einsetzen. Das laute Rumpeln und Rufen, das von der Gasse heraufdrang, verriet die Eile, mit der die Leute ihre Geschäfte erledigen wollten.

»Christoph, bitte«, mahnte Carlotta ihn zum Stillstehen.



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