Regina auf den Stufen by Utta Danella
Autor:Utta Danella
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Und es klappte auch mit Hallbergen. Es ging alles so schnell, daß Martin kaum zur Besinnung kam. Pölsen empfing ihn freundschaftlich und ganz wie seinesgleichen. Er duzte ihn sofort wieder, ließ Kaffee und Cognac bringen und schien ehrlich erfreut, Martin wiederzusehen. Er bat Martin nur um einige Angaben, was er in letzter Zeit gemacht hatte.
»Na ja«, sagte er, »das mit der Tankstelle, das kann man schon ein bißchen frisieren. So lange bist du ja noch nicht zurück, daß man schon irgendeinen Nachweis deiner Tätigkeit verlangen könnte. Das Kurhotel ist eine GmbH, und hauptsächlich verantwortlich ist ein gewisser Baron Nagold. Ich kenne ihn sehr gut, man kommt prima mit ihm aus. Um den Betrieb kümmert er sich wenig. Er wird mir dankbar sein, wenn ich ihm einen zuverlässigen Mann empfehle.«
»Ich bin so lange ‘raus«, meinte Martin unsicher, die Menschenscheu der vergangenen Monate wollte zurückkehren.
»Ich bitte dich«, sagte Pölsen. »Der Laden läuft ja von allein. Tadellos geführter Betrieb, sehr exklusiv, nur bestes Publikum. Was eben heute so bestes Publikum ist, nicht? Aber es muß natürlich jemand dasein, der alles überwacht. Das weißt du ja selbst am besten. Und jetzt ruf’ ich an.«
Hallbergen, das bekannte Heilbad, lag etwa zwei Eisenbahnstunden entfernt. Es war von der Stadt aus im Selbstwählbetrieb zu erreichen, und wenige Minuten später hatte Pölsen Baron Nagold am Telefon. Das Gespräch war kurz. Pölsen schilderte mit wenigen, aber sehr klug gewählten Worten Martins Persönlichkeit und seine Ausbildung, etwas ausführlicher seine Herkunft, und erwähnte nur flüchtig die letzte Zeit.
»Du sollst morgen hinauskommen«, sagte er, als er den Hörer hingelegt hatte.
»Morgen schon?« fragte Martin zurück, nicht gerade mit Begeisterung.
»Jawohl, morgen, alter Junge. Nur Mut. Wenn es klappt, weißt du, wie es weitergeht. Auch wenn es nur zwei oder drei Monate dauert, du bist wieder einmal drin in der Branche, und dann findet sich auch was anderes. Ich werde es weiter im Auge behalten.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll«, sagte Martin unbeholfen. »Daß mir auf einmal jemand hilft... ich bin gar nicht mehr daran gewöhnt.«
»Das ist doch selbstverständlich, Mensch«, sagte Pölsen, gewollt burschikos. »Wir sitzen doch alle im gleichen Topf, nicht? Deine Hotels zu Hause haben die Polen, meins haben die Russen. Ach was! Schwamm drüber! Das Leben geht trotzdem weiter. Damals als junge Schnösel haben wir uns eingebildet, eines Tages Eigentümer und Chefs großer rentabler Häuser zu sein. Heute sind wir Angestellte. Kein Mensch fragt mehr danach, was früher war. Man muß sich abfinden mit dem, was heute ist, und das Beste daraus machen. Und unser Geschäft ist nicht schlecht. Was denkst du, was wir hier für einen Umsatz machen! Bei dem Fremdenverkehr! Vielleicht langt’s eines Tages wieder mal zu einem eigenen Haus, vielleicht auch nicht. So wichtig ist das alles nicht. Das haben wir in den schlimmen Jahren gelernt.«
»Ja, wahrhaftig«, sagte Martin, »das haben wir gelernt.«
»Ich kann mich noch gar nicht beklagen. Ich war gerade man sechs Monate in amerikanischer Gefangenschaft. Da muß ich mich geradezu schämen, wenn ich an dich denke. Na, und dann die Nachkriegsjahre! Lieber Himmel, was man da alles getrieben hat! Mir stehen heute noch die Haare zu Berge.
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