Redet Geld, schweigt die Welt by Ulrich Wickert
Autor:Ulrich Wickert [Wickert, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00
Freiheit und Erfolg
»Freiheit« ist für viele Ökonomen der Schlüssel für eine erfolgreiche Wirtschaft. Ihr Motto lautet: Je mehr Freiheit, desto größer der Erfolg. Der ökonomisch handelnde Mensch soll frei sein von den Zwängen ethischer Regelungen. Besonders drastisch lehnt Philosophieprofessor Wolfgang Kersting die »Durchsetzung besonderer moralischer, ethischer oder religiöser Vorstellungen« ab, weil dies die »Handlungsfreiheit« einschränkt und damit die Möglichkeit, »in völliger ethischer Unabhängigkeit sein Leben« zu gestalten. Damit legt Kersting die durch unser Grundgesetz festgelegte Ordnung sehr freigebig aus.
Die Würde des Menschen ist die Quelle unseres Wertesystems.
Wer dem Menschen seine Freiheit nimmt, der verletzt diese Würde. So steht es im Artikel 1 Satz 1 unseres Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« Der Staat hat also die Aufgabe, den Bürger vor dem Missbrauch seiner Freiheit zu schützen. Und so steht denn auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Gegensatz zu der Erkenntnis des Philosophen, der davon schwärmt, das Leben in »völliger ethischer Unabhängigkeit« zu gestalten. Unserer Grundordnung liegt – so das BVerfG – nach dem Grundgesetz »die Vorstellung zugrunde, dass der Mensch in der Schöpfungsgeschichte einen eigenen selbständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind. Daher ist die Grundordnung eine wertegebundene Ordnung.« Daraus folgert der Verfassungsrichter Udo Di Fabio, dass die staatliche Gemeinschaft zwar die Grundlage für jede Freiheit ist, das aber in einem Raum des Rechts und der Sicherheit. Allerdings setzen die Würde des Menschen und die Freiheit des Individuums den Regelungen der Gemeinschaft Grenzen. Denn, so das BVerfG weiter, »in der freiheitlichen Demokratie ist die Würde des Menschen der oberste Wert. Sie ist unantastbar, vom Staate zu achten und zu schützen. Der Mensch ist danach eine mit der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte ›Persönlichkeit‹.«
Es ist umstritten, was Freiheit bedeutet. Häufig definiert man ihre Grenzen durch die Freiheit des anderen. Und überall in der Welt streiten Menschen um viele »Teilfreiheiten«. Ökonomisch drückt sich Freiheit in Eigentum aus, und insofern mag selbst im kommunistischen China, wo der Volkskongress 2007 das Recht auf Privateigentum beschloss, die wirtschaftliche Freiheit weitgehend gegeben sein, aber die Religionsfreiheit, die Freiheit der Presse, die Freiheit, sich zu versammeln und zu demonstrieren, gibt es dort nicht.
Denken und handeln sollten eins sein. So sagt eben auch Marquis de Posa in Schillers »Don Carlos« zu dem allmächtigen spanischen König Philipp II. den elementaren Satz: »Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!«
Wer nicht frei denken kann, der kann auch nicht den Willen zum Handeln entwickeln, ihm fehlt die Fähigkeit, sich einen Plan vorzustellen. Aber auch das Gute zu wollen setzt Willensfreiheit voraus.
Allerdings gilt Freiheit nicht so absolut, dass der Bürger sein Leben in »völliger ethischer Unabhängigkeit« führen könnte. Denn eine Freiheit, die andere Freie berücksichtigen muss, hat sich bestimmten Bedingungen zu unterwerfen. So beschränkt Artikel 2 unseres Grundgesetzes das Recht jedes Individuums auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Keiner darf die Rechte anderer verletzen und niemand gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen. Die Freiheit der Person darf zwar nicht verletzt, aber auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden.
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