Poldark - Abschied von gestern by Winston Graham

Autor:Winston Graham [Graham, Winston]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2016-05-01T22:00:00+00:00

17

Für die Entwicklung von Demelzas Intelligenz spielte ein Zimmer in Nampara eine bestimmte Rolle. Das war die Bibliothek.

Sie hatte lange dazu gebraucht, ihr Misstrauen gegenüber dem hohen und staubigen Zimmerholz zu überwinden, ein Misstrauen, das von der einen Nacht stammte, die sie in oder neben dem großen Kastenbett zugebracht hatte. Sie hatte später entdeckt, dass die zweite Tür in diesem Schlafzimmer in die Bibliothek führte, und etwas von der Furcht dieser ersten Stunde hing an dem Zimmer jenseits der zweiten Tür.

Seit seiner Rückkehr war Ross nicht mehr in diesen Raum gegangen, weil jeder Gegenstand darin Erinnerungen an seine Kindheit zurückbrachte und an seine Mutter und seinen Vater, an ihre Stimmen und Gedanken und vergessene Hoffnungen. Für Demelza gab es keine Erinnerungen, nur Entdeckungen.

Die Hälfte der Gegenstände dort hatte sie nie zuvor gesehen. Für einige von ihnen konnte nicht einmal ihr erfinderisches Hirn eine Verwendung erdenken, und solange sie nicht lesen konnte, bedeuteten die Stöße gelben Papiers und die kleinen Schildchen und Aufschriften, die auf gewisse Artikel gekritzelt waren, keine Hilfe.

Da war die Gallionsfigur der »Mary Buckingham«, welche, wie Jud ihr erzählte, 1760 angeschwemmt worden war, drei Tage, ehe Ross geboren wurde. Sie zog die Schnitzerei gern mit dem Finger nach. Da gab es das geschnitzte Wappen von dem kleinen Schoner in der ganzen Länge, der auf Damsel Point Schiffbruch erlitten hatte, auf Hendrawna-Strand getrieben worden war und den Sand und die Sandhügel noch eine Woche danach mit Kohlenstaub geschwärzt hatte. Es gab Proben von Zinn- und Kupfererz, die keine Bezeichnung trugen und ohnehin nutzlos waren. Es gab Ersatzstreifen Leinwand zum Ausbessern der Segel und vier eisenbeschlagene Truhen, deren Inhalt man nur erraten konnte. Da war eine Uhr aus Großvaters Tagen, bei der manche Innenteile fehlten – sie verbrachte Stunden mit den Gewichten und Rädern und versuchte zu entdecken, wie das funktioniert haben mochte.

Da war ein Kettenpanzerwams, schrecklich verrostet und alt, zwei Stoffpuppen und ein selbstgemachtes Schaukelpferd, sechs oder sieben unbrauchbare Musketen, ein Spinett, das einmal Grace gehört hatte, zwei französische Schnupftabakdosen und eine Spieldose, eine Rolle mottenzerfressener Tapete von irgendeinem anderen Schiff, ein Grubenarbeiterpickel und eine Schaufel, eine Sturmlaterne, ein halbes Fässchen Sprengpulver, und, an die Wand geheftet, eine Kartenskizze vom Ausmaß der Grambler-Arbeitsstellen im Jahre 1765.

Die aufregendste Entdeckung von allen waren für sie das Spinett und die Spieldose.

Eines Tages, als sie eine Stunde lang herumgebastelt hatte, brachte sie die Spieldose dazu zu spielen, und sie spielte zwei dünne, zittrige Menuette. Voller Erregung und Triumph tanzte Demelza auf einem Bein um das ganze Instrument herum, und Garrick, der das für ein neues Spiel hielt, sprang ebenfalls herum und riss ein Stück aus ihrem Rock.

Eine größere Entdeckung war das Spinett; es hatte aber den Nachteil, dass sie nicht imstande war, eine Melodie daraus hervorzubringen. Ein- oder zweimal, als sie sicher war, dass niemand in der Nähe war, wagte sie einen Versuch, und die Laute faszinierten sie sogar, wenn sie nicht harmonierten. Sie fand sich selbst auf seltsame Weise von solchen Lauten angezogen und wollte sie immer wieder hören.

Charles Poldark erholte sich von seiner Herzattacke, war aber für den Rest des Winters ans Haus gefesselt.

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