Pasternak S.,Tote Zonen by Simon Pasternak

Pasternak S.,Tote Zonen by Simon Pasternak

Autor:Simon Pasternak [Pasternak, Simon]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-19T05:00:00+00:00


In der toten Zone

Manfred lässt mich im Kommandowagen sitzen, als wir zur zweiten Phase der Operation Hermann in die Wälder zurückkehren: Verkleinerung des Kessels und Definition der Kampfzone. Ein Blick aus dem Wagen: Herabstürzende Stukas, ein heulender Schwarm, und wenn sie wieder hochziehen, Serien gewaltiger Explosionen.

Sie kommen aus den Wäldern und zerren Tiere hinter sich her. Kühe, Pferde, Ziegen, kleine handgefertigte Bauer mit Vögeln und Fröschen. Ein Ukrainer aus dem SchuMa-Bataillon hält einen Igel im Arm, in einer Tasse hat er ein bisschen Milchersatz angerührt, eine kleine schlabbernde Zunge.

Reihen von Sklaven, mit Schlingen um den Hals verbunden, schwankend.

Der innere Kongo.

Manfred diktiert mir den Tagesbericht.

Er liefert die Zahlen und die Worte: Blutopfer, Bandit, Beute.

*

Tägliche Mitteilung. Abschrift

Fernschreiber. 16. Juli 1943

Absender: Hptstführer Schlosser, SS-Kavallerie 2

Betr. Operation Hermann, südwestlicher Sektor

Operation begann 10:00 Uhr.

Sperre wurde entlang der Koordinaten

54°1N, 26°19’O aufgebaut.

Stoßtruppen formiert in 1/2/40.

Gesammelte Kräfte:

SS-Kavallerie → 2/4/75

SchuMa → 3/6/130

Orpo → /1/21

Litauische HiWi → 3/7/139

Bewaffnung:

3 Panzerabwehrkanonen

1 Flak

24 MG 42

Transport:

3 Lastwagen

1 selbstfahrende Kanone

3 Kübelwagen

2 Sdkfz: 1 233’er, 1 250’er-Kommandowagen

324 Pferde

Verluste, unsere: 1 leicht Verletzter (Orpo). Zwei Bunker geräumt. 3 verlassene, befestigte Lager verbrannt. 988 Banditen getötet, davon 251 Juden.

Beute: 1 deutscher Karabiner Modell 98, 6 Pistolen, Munition, 40 Holzminen.

128 Männer, 73 Frauen, 19 Kinder ins Reich abtransportiert.

120 Pferde, 21 Kühe, 214 Ziegen nach Iwenez geschickt.

Hauptsturmführer Manfred Schlosser

Für die Richtigkeit der Unterschrift:

Oberleutnant der Polizei Heinrich Hoffmann

*

Am Feuer, abends. Es ist der fünfte Tag der Operation. Der sommerlich helle Himmel hoch oben über uns.

Hier unten ist alles durchweicht, die feuchte Dunkelheit der Bäume, das fette Gras und der Morast lassen uns nicht los.

Manfred hängt seine Stiefel an zwei Stöcken über die Flammen, als wollte er Stockbrot rösten.

Er knickt ein Eselsohr in mein Exemplar von Ernst Jüngers Das Abenteuerliche Herz. Er summt einen Schlager, befeuchtet seinen Finger und macht noch ein Eselsohr.

»Manfred?«

»Hm?«

»Wir haben sechs Pistolen und einen Karabiner gefunden. Wie passt das mit neunhundertachtundachtzig Partisanen zusammen?«

»Banditen … sie heißen Banditen, laut Himmlers neuestem Dekret von heute.«

»Dann eben Banditen. Es passt trotzdem nicht zusammen.«

»Du hast es selbst geschrieben.«

»Scheiße, Manfred, es ist eine Lüge. Und hör auf, mein Buch zu ruinieren!«

Er setzt sich halb auf, stützt sich auf den Ellenbogen.

»Es ist ganz einfach, Heinrich. Wenn sie tot sind, können sie keine Banditen mehr werden, oder?«

»Das ist nicht komisch, Manfred.«

»Nein, in diesem Punkt hast du recht. Es ist nicht komisch.«

Manfred legt das Buch beiseite, steht auf und dreht seine Stiefel.

»Es ist politisch«, fährt er fort. »Manchmal glaube ich, wir packen das alles falsch an.«

»Was meinst du?«

»Tja, indem wir zwischen Worten und der Wirklichkeit unterscheiden. Sonderbehandlung, Liquidierung, Säuberung, judenrein. Es handelt sich um Mord, Heinrich. Verdammt, wir sind doch keine Putzfrauen oder Funktionäre, oder? Die Juden werden schließlich nicht nur mit Bohnerwachs behandelt, als ginge es um irgendwelche verdammten Bakterien. Sie werden ausgeplündert, wir nehmen ihnen alles und lassen sie die Peitsche spüren, nackt verpassen wir ihnen eine Kugel in den Nacken, während ihre Kinder dabei zusehen müssen … Gebete, Angst, dieses Bibbern vor dem Tod … Elohim Yisrael …«

»Manfred, hör auf!«

»Ach, Scheiße! Halt ausnahmsweise einmal deine verdammte Schnauze. Genau das tun wir … genau das tun wir, verflucht noch mal.



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