One Second After - Die Welt ohne Strom (German Edition) by Forstchen William R

One Second After - Die Welt ohne Strom (German Edition) by Forstchen William R

Autor:Forstchen, William R. [Forstchen, William R.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783940626189
Herausgeber: Deltus.de
veröffentlicht: 2014-07-24T22:00:00+00:00


Kapitel Acht

Tag 35

Eine festliche Atmosphäre lag in der Luft, als John auf seinen inzwischen angestammten Parkplatz vor der Feuerwache neben dem Rathaus fuhr.

Die Löschzüge, die vor über einem Monat herausgerollt worden waren, um in der Feuerwehrgarage Platz für die Notvorräte zu schaffen, standen immer noch draußen: bewegungslos, aber nicht mehr glänzend, sondern staubig. An der Stoßstange eines Löschfahrzeugs waren Pferde angebunden.

Die Menge stand erwartungsvoll herum und viele, die John näher kommen sahen, nickten ihm respektvoll zu.

Bei allen hatten die vergangenen 35 Tage Spuren hinterlassen. Die Gesichter waren hagerer, manche verkniffen. Generell war die Kleidung schmutzig und voller Schweißflecken, die Haare waren fettig, und viele Männer ließen ihre Bärte sprießen. Und alle stanken. John fragte sich, ob die Menschen vor 100 Jahren immer so gerochen hatten, ob dies der typische Geruch einer Menge ungewaschener Körper gewesen war. Oder lag es daran, dass die Leute bis vor 36 Tagen so sehr an Hygiene gewöhnt gewesen waren, dass sie ganz entsetzt waren, wenn ihr Deodorant versagte und sie andere »belästigten«, und mindestens einmal am Tag duschten – im Sommer oft sogar zweimal?

War dieser Zustand nun normal? Hatten George Washington, Thomas Jefferson und Abraham Lincoln so gerochen? Völlig normal, sodass es gar nicht auffiel?

Tom erschien grinsend in der Tür des Polizeireviers.

»Es funktioniert!«

Ein paar Jubelrufe waren aus der Menge zu hören, bevor die Leute allmählich auseinandergingen, aber einige schoben sich dicht an die Tür und die Fenster zum Konferenzraum, um hineinzusehen, als sei dort drinnen ein Wunder geschehen.

John drängte sich hindurch in das Gebäude.

»Wir fangen in ein paar Minuten an, aber bis dahin wollen wir es einfach genießen«, sagte Tom.

John betrat den Konferenzraum und schmunzelte über das alte Kurbeltelefon, das an die Wand montiert worden war.

»Ja, ja, ich höre Sie!«, schrie Charlie, der sich nach vorn zur Sprechmuschel beugte, die Hörmuschel mit der freien Hand ans Ohr gepresst.

»Ja, ich verstehe. Es funktioniert. Fahren Sie fort, führen Sie die Linie weiter. Ja, Ende der Durchsage. Auf Wiederhören.«

Er legte auf und wandte sich der Versammlung zu.

»Wir haben ein Telefonsystem!«

Applaus erschallte, der von der Menge draußen weitergetragen wurde.

John betrachtete den Apparat, den man, wie von ihm vorgeschlagen, in einem Antiquitätengeschäft aufgestöbert hatte. Ein ähnliches Telefon war im Polizeirevier von Swannanoa montiert worden. Die Arbeit hatten zwölf Fernleitungsmonteure getan: alte, ehemalige Angestellte der Telefongesellschaft, einige von ihnen Flüchtlinge, die man an den Straßensperren hereingelassen hatte.

Glasfaserkabel und moderne Verdrahtungssysteme waren unbrauchbar geworden. Man hatte altmodischen Kupferdraht auftreiben müssen, ein schwieriges Unterfangen, aber nach und nach war man an verschiedenen Orten fündig geworden. Eine alte Telefon- oder Telegrafenleitung, die einige Kilometer lang parallel zu den Eisenbahngleisen verlief, hatte sich als Fund von unschätzbarem Wert erwiesen. Die einzelnen Drahtstücke mussten vorsichtig miteinander verspleißt und dann auf Glas- oder Keramikisolierkörper gezogen werden – die meisten davon bestanden aus alten Limonadenflaschen.

Dies war die erste funktionierende Leitung; das Ziel war, sie bis Asheville zu verlängern. Erstaunlicherweise war eine altmodische Telefonschaltanlage aus den 1920er-Jahren im Keller der Enkelin einer Telefonistin entdeckt worden. Als das System in den 50er-Jahren durch die damals neuere Technik ersetzt worden war, hatte die alte Dame anscheinend ihre ausgediente Schaltanlage als Souvenir mit nach Hause genommen.



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