Nordlicht--Die Tote am Strand: Kriminalroman by Anette Hinrichs

Nordlicht--Die Tote am Strand: Kriminalroman by Anette Hinrichs

Autor:Anette Hinrichs
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH


Flensburg, Deutschland

Elke Boisen öffnete die Haustür. Vibeke fiel sofort auf, dass ihre Mutter abgenommen hatte. Ihr Gesicht unter dem blond gesträhnten Bob wirkte schmaler, die Wangen eingefallen, so als hätte sie mehrere Kilo verloren. Sie war diskret geschminkt und trug eines ihrer maritimen Streifenshirts zur engen Jeans.

Beim Anblick ihrer Tochter verzog sich Elkes sorgenvolle Miene zu einem Lächeln. »Vibeke, wie schön!«

Vibeke kämpfte gegen das schlechte Gewissen, dass sie ihre Mutter so lange nicht besucht hatte, und umarmte sie ein wenig länger als sonst.

In dem schmalen Reihenhaus hatte sich, seit Vibeke als dünne Elfjährige mit dem Schulranzen auf dem Rücken zum ersten Mal vor der Tür gestanden hatte, nur wenig verändert.

Eichenmöbel auf Natursteinböden, Miniatursegelboote und Windlichter auf den Fensterbänken zu blauweiß gestreiften Stoffen. Hin und wieder war eins der Möbelstücke gegen ein ähnliches Modell ausgetauscht und die Wandfarbe aufgefrischt worden, sonst schien die Zeit stehen geblieben zu sein.

An diesem Abend war der Wohnzimmertisch mit Unterlagen übersät. Im Hintergrund lief der Fernseher, ein Nachrichtenmagazin auf dem dänischen Sender TV2.

Elke stellte den Ton leiser. »Kann ich dir etwas anbieten?«

»Danke, nein. Ich hatte gerade ein Fischbrötchen.« Vibeke beäugte die Unterlagen auf dem Tisch. »Was ist das alles?«

»Schreiben von der Krankenkasse, Versicherungsunterlagen, Kontoauszüge, lauter solches Zeug. Ich versuche gerade, mir einen Überblick zu verschaffen.« Elke zögerte einen Moment. »Sie wollen Werner wegen andauernder Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzen.« Sie griff nach einem Schreiben mit dem amtlichen Briefkopf des Polizeipräsidiums. »›Polizeidienstunfähigkeitsverfahren‹ heißt das wohl im Fachjargon.«

Vibeke nickte. »Wir sagen PDU dazu. Zeig mal her.«

Elke reichte ihr den Brief.

»Das können die doch nicht machen«, murmelte Vibeke, während sie die Zeilen überflog. »Werner liegt gerade mal seit sieben Wochen im Koma. Vielleicht lässt sich die Sache mit der PDU ein wenig hinauszögern.« Sie legte das Schreiben zurück auf den Tisch. »Die Vorstellung, dass Werner aufwacht und erfährt, dass man ihn in den Ruhestand versetzt hat, finde ich schrecklich. Er ist Polizist. Die Arbeit ist sein Leben.«

Elke strich sich mit einer müden Geste eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich habe Angst, dass Werner nicht mehr zu mir zurückkommt.« Sie ließ sich auf die Couch sinken. »Dass er nicht mehr der Mann ist, mit dem ich seit dreißig Jahren verheiratet bin. Ich habe mir immer ausgemalt, wie es sein wird, wenn er in Rente geht und wir endlich Zeit haben für all die Dinge, die wir wegen seiner Arbeit nie unternehmen konnten. Ich habe mir sogar vorgestellt, er würde für mich kochen. Albern, nicht wahr? Werner und kochen.«

»Ich finde das gar nicht albern.« Vibeke setzte sich neben ihre Mutter auf die Couch. »Werner kommt zurück. Du wirst sehen.« Es klang zuversichtlicher, als sie sich fühlte.

Ein leichtes Lächeln flog über Elkes Lippen. »Dein Glaube an deinen Vater war schon immer unerschütterlich.«

Vibekes Hals wurde eng, und sie wechselte das Thema, erzählte ihrer Mutter von der Renovierung ihrer Wohnung, dem neuen Job und fragte sie schließlich nach ihrer Arbeit bei einem dänischen Ferienhausanbieter.

Hin und wieder flog der Blick ihrer Mutter zum Fernseher. Gerade erschien auf dem Bildschirm ein Kinderchor vor einem Neubau mit farbenfroh gestalteter Regenbogenfassade.



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